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Betrug: Für Patienten in Afrika vorgesehene HIV-Präparate wurden umverpackt und in Deutschland verkauft (Foto: ABDA)
> Millionenbetrug mit gefälschten HIV-Medikamenten
Mehrere Staatsanwaltschaften und das
Bundeskriminalamt sind nach Recherchen von NDR Info einem bundesweiten
Millionenbetrug mit gefälschten HIV-Medikamenten auf der Spur. Die
Fahnder ermitteln gegen verschiedene Pharmagroßhändler. Sie sollen u.
a. für Patienten in Afrika vorgesehene, subventionierte Präparate in
großen Mengen umverpackt, illegal nach Deutschland gebracht und hier
mit extrem hohen Gewinnen verkauft haben. Der finanzielle Schaden liegt
nach Schätzungen mindestens im zweistelligen Millionenbereich.
„Da mit Südafrika, der Schweiz und Belgien auch andere Länder beteiligt
sind, zählt dieses Verfahren sicher zu unseren größten", sagte der
leitende Oberstaatsanwalt in Flensburg, Rüdiger Meienburg. Die
Beschuldigten aus Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz streiten die
Vorwürfe ab bzw. wollen sich nicht äußern. Nach Recherchen von NDR Info wurden die HIV-Präparate zum Teil als
sogenannte Bulkware - also lose Tabletten in Kisten und Säcken -
illegal aus Südafrika über Belgien und die Schweiz nach Deutschland
importiert. Dabei sollen die Beschuldigten die Medikamente mit
erheblichen Gewinnen verkauft haben, so die Staatsanwaltschaft Flensburg. Nach Informationen des Senders lag der Umsatz von allein einem Beschuldigten bei rund sechs Millionen Euro. Neben der Staatsanwaltschaft Flensburg ermitteln auch die Behörden in
Trier und Lübeck gegen Pharmagroßhändler. Die Beschuldigten sollen in
ähnlichen Fällen gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen haben. Nach
Angaben der Staatsanwaltschaft Flensburg drohen den mutmaßlichen Tätern
wegen gewerbsmäßigen Betrugs zwischen drei Monaten und zehn Jahren
Haft. Das Bundeskriminalamt ist ebenfalls in die Ermittlungen
eingebunden. Die AOK Niedersachsen schätzt, dass der finanzielle Schaden allein für
die Krankenkassen mindestens im zweistelligen Millionenbereich liegt,
da die Täter die gefälschten Produkte zu regulären Preisen bei den
Kassen abgerechnet haben sollen. „Die Medikamente waren von
Hilfsorganisationen für die Behandlung von HIV- Patienten in Südafrika
vorgesehen. Die Großhändler haben die Präparate nach Deutschland geholt, obwohl sie hier nicht zugelassen waren", sagte der
Sprecher der niedersächsischen AOK, Oliver Giebel, NDR Info. Aufgeflogen war der mutmaßliche Betrug im August 2009 in einer
Delmenhorster Apotheke. Dort war einem HIV-Patienten aufgefallen, dass
sich in einem unbeschädigten Blister - also der Sichtverpackung eines
Medikaments - keine Tabletten befanden. Bei anschließenden
Untersuchungen des Medikaments durch den Münchener Hersteller GlaxoSmithKline stellte sich heraus, dass sowohl die Umverpackung als
auch der Beipackzettel und der Blister gefälscht waren. Der Konzern
rief daraufhin sicherheitshalber die betreffende Charge zurück. Auch
der Hersteller Boehringer-Ingelheim musste 2009 und 2010 in einem
ähnlichen Fall mehrere Chargen eines HIV-Medikaments zurückrufen. Nach jetzigem Stand war die Wirksamkeit der Medikamente nicht
beeinträchtigt. Allerdings gibt es nach wie vor Untersuchungen, ob die
Präparate zum Beispiel durch eine Unterbrechung der Kühlkette Schaden
genommen haben. Möglicherweise war auch das Haltbarkeitsdatum
überschritten. Viele Pharmakonzerne stellen Entwicklungsländern ihre
HIV-Medikamente, meist über Hilfsorganisationen, günstig zur Verfügung.
So wollen sie u. a. verhindern, dass Fälscher den Patentschutz umgehen. 24.02.2011/ Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk
 
 
 
 
 
 
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