Tabakpflanze
Heribert Warzecha mit einer Tabakpflanze, die einen Impfstoff produzieren kann (Foto: Robert Emmerich)
> Impfstoff aus der Tabakpflanze
Impfstoffe,
die man mit der Nahrung zu sich nimmt. Das scheint möglich, denn immerhin
ist es gelungen, einen Impfstoff gegen die von Zecken übertragene
Infektionskrankheit Borreliose herzustellen, der von Tabakpflanzen
produziert wird. Allerdings: Dabei handelt es sich um gentechnisch
veränderte Pflanzen, über mögliche unerwünschte Nebenwirkungen weiß man
bisher nichts.


"In der Zukunft könnten Impfstoffe in
essbaren Pflanzen wie Kartoffeln und Salat hergestellt werden. Die
Impfung käme dann ohne Spritze aus, man würde sie einfach essen",
erklärt Apotheker Heribert Warzecha von der Universität Würzburg.
"Amerikanische Forscher arbeiten gerade daran, den Impfstoff gegen
Hepatitis in Tomaten zu produzieren." Das Impf-Gemüse könnte dann
einfach im Kühlschrank aufbewahrt und ganz normal verzehrt werden.



Bislang
werden Impfstoffe mit großem Aufwand in Bakterien oder Zellkulturen
produziert. Experimente mit gentechnisch veränderten Pflanzen sind zwar
nicht neu, aber die gestesteten Pflanzen lieferten meist viel zu
geringe Mengen des Impfstoffes. Der Trick von Warzecha: Er integrierte
die DNA des Borreliose-Impfstoffes nicht wie bisher üblich in den
Zellkern der Pflanze, sondern in die Chloroplasten. Jede Pflanzenzelle
enthält etwa 100 dieser kleinen grünen Partikel, die für die
Photosynthese zuständig sind.



Dadurch erhöht sich die
Produktion des Impfstoffes enorm. Die Chloroplasten der Tabakpflanzen
erfüllen zudem noch eine weitere Voraussetzung: Sie produzieren nicht
nur das Protein gegen Borreliose, sondern statten es auch mit den
nötigen Fettsäuren aus. Ohne die wäre der Impfstoff wirkungslos.
"Bislang war es gängige Lehrmeinung, dass ausschließlich Bakterien
diese ganz spezielle Veränderung eines Proteins erledigen können",
berichtet Warzecha. "Doch offensichtlich sind auch Cholorplasten dazu
in der Lage."



Eine Schutzimpfung gegen Borreliose gibt es in
Europa für Menschen bislang nicht. "Borreliose ist eine bakterielle
Erkrankung, die nur durch Zecken übertragen wird. Sie ist sehr schwer
zu diagnostizieren", weiß Warzecha. Wird die Infektion nicht
rechtzeitig mit Antibiotika behandelt, kann es zu schweren Spätfolgen,
etwa Gelenkentzündungen und Nervenstörungen kommen.



Bis der
Impfstoff aus den Würzburger Tabakpflanzen seinen Einsatz findet,
werden aber wohl noch einige Jahre vergehen. Nächstes Ziel der Forscher
ist es erst einmal, den Impfstoff an Mäuse zu verfüttern. Dazu muss der
Tabakgehalt der Pflanzen reduziert werden. Danach wollen sie versuchen,
das Protein gegen Borreliose in die Chloroplasten essbarer Pflanzen zu
integrieren.



"Den Impfstoff zu rauchen ist leider noch keine
Alternative", lacht Warzecha. Selbst wenn alle Tests positiv verlaufen,
wird der Impfstoff Europäern jedoch wenig nützen: Er kann nur in
Nordamerika sicher vor Borreliose schützen. "In Europa und Asien gibt
es drei Borreliose-Erreger, in Amerika nur einen", verdeutlicht der
Würzburger Wissenschaftler. Für die Forschung sind die Erfahrungen mit
den Impfstoff produzierenden Tabakpflanzen jedoch von großer Bedeutung.

Gentechnik-Gegner
werden diese Entwicklung mit großer Distanz beobachten. Denn bisher ist
noch nicht erforscht, welche Nebenwirkungen das gentechnisch-veränderte
Impf-Gemüse haben könnte.



WANC 23.01.06/pte

 
 
 
 
 
 
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