Intensivstation: Belegt – bitte warten

Eigentlich ist das ja ein Skandal.
Weil die finanziellen Mittel angeblich knapp sind, sparen Krankenhäuser
an den Intensivstationen. Wenn Betten und Behandlungskapazitäten
fehlen, müssen Schwerverletzte auf dringende medizinische Maßnahmen
warten. Eine Umfrage legt offen, dass es bereits heute eine versteckte
Rationierung gibt.
Ein Forscherteam hat 1000 Intensivstationen in Deutschland
angeschrieben. Mehr als die Hälfte davon beantwortete den Fragebogen.
„Die hohe Beteiligung zeigt, welche große Bedeutung das Thema im
klinischen Alltag hat", sagt Prof. Dr. Joachim Boldt, Direktor der
Klinik für Anästhesiologie, Schmerztherapie und Operative
Intensivmedizin am Klinikum Ludwigshafen. Ganz zu schweigen von den
Betroffenen, die die Hilfe dringend brauchen. Anscheinend halten Kliniken beispielsweise die Zahl der Betten auf
Intensivstationen niedrig, um Kosten zu sparen. In der Umfrage gaben
immerhin 35 Prozent an, dass sie gelegentlich oder häufig Patienten
wegen fehlender freier Betten ablehnen würden. „Es darf nicht sein,
dass Krankenwagen mit einem Schwerverletzten von Klinik zu Klinik
fahren, weil keine Intensivstation ein Bett frei hat," mahnt Boldt. Ein frommer Wunsch. 67 Prozent der Befragten in den Kliniken sind
überzeugt, dass es bereits heute Rationierungen auf Intensivstationen
gibt. Dabei haben neue Geräte und Medikamente die intensivmedizinische
Versorgung in den letzten Jahren deutlich verbessert. Ärzte können nach
eigener Einschätzung heute selbst schwerkranke Patienten behandeln.
„Häufig fehlt jedoch das Geld für solche aufwändigen Therapien. Dann
stellt sich die Frage, wo man anfängt, medizinische Leistungen
einzuschränken", erklärt Boldt. Angesichts der Umfrageergebnisse fordert Boldt, die Beschränkung
medizinischer Leistungen offen zu diskutieren: „Kein Gesundheitswesen
funktioniert ohne Rationierung. Auch eine effektive Intensivmedizin
wird ohne die Begrenzung von Therapiemaßnahmen künftig nicht mehr
möglich sein. Das Thema zum Tabu zu erklären, hilft keinem." Er warnt in diesem Zusammenhang vor einer versteckten Rationierung, die
es aber offensichtlich bereits gibt. Allerdings verfügen über feste
Regeln zum Begrenzen oder Abbrechen einer Therapie verfügen jedoch die
wenigsten Kliniken: So haben 88 Prozent keine Altersgrenze für den
Einsatz sehr teurer Medikamente. Für 83 Prozent ist ein unheilbares
Krebsleiden prinzipiell kein Grund, eine kostenintensive
Dialysebehandlung abzulehnen. Doch ohne feste Regeln zur Rationierung
würde dann ausgerechnet den Patienten die Hilfe versagt, die sie am
dringendsten brauchen, betont Boldt. Anmerkung: Was die Umfrage offen legt, ist natürlich ein Skandal. Aber
vielleicht ein kalkulierter. Denn die Krankenhäuser streiten sich
vehement und dauerhaft mit der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt
um mehr Geld. Immer wieder weisen die Krankenhäuser darauf hin, dass
ihnen Mittel fehlen und sie deshalb Kosten senken müssen. Wenn dies in
der Intensivbetreuung statt findet, dann hat das natürlich einen
enormen Öffentlichkeitseffekt. Und – so darf man annehmen – das könnte
den Druck auf das Bundesgesundheitsministerium verstärken.   WANC 22.04.09/Quelle: J. Boldt, T. Schöllhorn: Ethik und Monetik:
Einfluss ökonomischer Aspekte auf Entscheidungsprozesse in der
Intensivmedizin. In: Der Anaesthesist. 2008 Nov; 57(11): 1075-82





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/22_04_intensivstation_krankenhaus.php
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