Antibiotika: Zu oft verschrieben, Erreger sind immer öfter gegen eine Behandlung resistent (Foto: DAK/Wigger)
> Antibiotika: Zunehmend wirkungslos

Immer mehr Antibiotika verlieren ihe Wirkung. Die wachsende Resistenz der Krankheitserreger durch übertriebenen Einsatz der Medikamente ist daran schuld. Deshalb fordern Experten eine zurückhaltende Verordnung von Antibiotika in Deutschland und kritisieren gleichzeitig die Verwendung in der Tiermast.

In den letzten Jahren hat die Zahl der Antibiotika-Resistenzen weltweit stark zugenommen. Gleichzeitig werden immer weniger neue Antibiotika entwickelt. Experten befürchten deshalb, dass es schon bald keine Behandlungsmöglichkeiten gegen Infektionskrankheiten wie die bakterielle Lungenentzündung mehr geben könnte. Sie mahnen zu einem zurückhaltenden Einsatz der Antibiotika. Wie eine in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift DMW (Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2004) veröffentlichte Studie zeigt, wird dies in Deutschland auch befolgt – teilweise.

Die Gruppe um Prof. Winfried Kern von der Uni Freiburg berichtet, dass die deutschen Haus- und Fachärzten deutlich weniger Antibiotika verordnen als ihre Kollegen in den meisten anderen europäischen Ländern. Ein Maßstab ist die Zahl der Tagesdosen pro 1000 Versicherte und Jahr. Dieser Wert liegt in Deutschland bei 13,6. In Frankreich, Spitzenreiter in Europa, sind es 32,9, also mehr als doppelt so viele. Interessanterweise gibt es regionale Unterschiede innerhalb Deutschland. Am sparsamsten verordnen Haus- und Fachärzte in Sachsen und Brandenburg (9,6), am meisten ihre Kollegen im Saarland (17,3).

"Deutschland liegt insgesamt im unteren europäischen Drittel", erklärt Kern, der dennoch nicht vollkommen zufrieden ist. Denn die Verordnung von sogenannten Breitbandantibiotika (vor allem Fluorochinolone und Makrolide) habe stark zugenommen. Diese Mittel sind gegen eine Vielzahl von Erregern wirksam, was den Ärzten die Verordnung erleichtert. Gleichzeitig steigt jedoch die Gefahr, dass die Erreger dann gegen viele Antibiotika resistent werden.

Beunruhigt ist Kern auch über den gestiegenen Antibiotika-Verbrauch in Krankenhäusern. Benötigt werden die Medikamente vor allem auf Intensivstationen und zur Behandlung von Patienten mit Leukämie oder Lymphdrüsenkrebs. Antibiotika sind hier jedoch oft unverzichtbar. Denn Patienten, deren Immunsystem durch die aggressive Chemotherapie geschwächt ist, müssen vor Infektionen geschützt werden.

Für weitgehend vermeidbar hält Kern den Einsatz in der Tiermedizin. Die Mittel würden hier häufig vorbeugend gegen Infektionen eingesetzt, oder als "Wachstumsförderer" bei der Tiermast verfüttert. Weitaus mehr als 30 Prozent aller produzierten Antibiotika würden hier verwendet.

WANC 21.10.04
 
 
 
 
 
 
powered by webEdition CMS