Erkältete Frau
Ein neuer Mechanismus soll bei der Bekämpfung von bakteriellen Infektionen helfen (Foto: DAK)
> Aufräumkommando des Körpers: Schutz gegen Infektionen

Ein Aufräumkommando der Zelle
erkennt defekte Proteine und repariert oder vernichtet sie. Intakte
Proteine werden dagegen wie in einen kleinen Käfig umschlossen
und sicher an ihren Zielort transportiert. Diese Erkenntnisse
eröffnen ganz neue Möglichkeiten, mit bakteriellen
Infektionen fertig zu werden.


Es ist nicht ganz leicht zu verstehen.
Aber versuchen wir es einmal zu erklären: Proteine vermitteln
alle lebenswichtigen Prozesse in der Zelle. Deshalb betreibt die
Zelle einen erheblichen Aufwand, um ihre Eiweiße in der
richtigen Form, zum richtigen Zeitpunkt und in der geforderten Menge
zu produzieren. Auch Proteine, die bereits im Einsatz sind, müssen
ständig auf Ihre Funktionsfähigkeit hin überwacht
werden. Defekte Proteine stellen nämlich eine tödliche
Gefahr für die Zelle und den ganzen Organismus dar. Sie können
beim Menschen beispielsweise zu solch komplexen Krankheitsbildern wie
Parkinson, Kreutzfeld-Jacob (BSE) und Alzheimer führen. Das
Wunder der körpereigenen Krankheitsabwehr: Bei der
Qualitätskontrolle kennt die Zelle kein Pardon, sie überprüft
genau, wie die Proteine aussehen und ob sie ihre Arbeit in der Zelle
ausführen können.



Forscher am Zentrum für
Medizinische Biotechnologie haben jetzt einen Faktor untersucht, der
an der Durchführung der Qualitätskontrolle in Bakterien
wesentlich beteiligt ist: das Molekül nennt sich DegP und
verfügt über erstaunliche Eigenschaften: Es erkennt defekte
Proteine und repariert oder vernichtet diese innerhalb seines
Reaktionszentrums. Gleichzeitig werden intakte Proteine von diesem
Molekül wie in einen kleinen Käfig umschlossen und sicher
an Ihren Zielort, in diesem Fall die äußere Hülle von
Bakterien, transportiert.



"Es ist erstaunlich, wie diese
beiden gegensätzlichen Funktionen von nur einem Molekül
ausgeführt werden können", wundert sich Professor
Michael Ehrmann, Vorstandsvorsitzender des Zentrums für
Medizinische Biotechnologie. "Das DegP-Molekül kann seine
eigene Größe und Aktivität an seine Kunden, den
Proteinen, anpassen. Und das geschieht denkbar einfach: Es lagern
sich einfach mehrere DegP Moleküle aneinander, bis ein
Ziel-Protein vollständig eingekapselt ist. Je größer
der entstehende Komplex ist, desto höher ist auch dessen
Wirksamkeit.



Der DegP-Apparat überprüft,
ob die eingefangenen Proteine richtig gefaltet sind. Bei defekten
Proteinen wird innerhalb kurzer Zeit in der Reaktionskammer des
Molekülkomplexes die Verdauungsmaschinerie angeworfen und das
Eiweiß in seine Bestandteile zerlegt. Bei nur leicht defekten
Proteinen dient der DegP-Apparat hingegen als Reparaturwerkstatt.
Intakte und reparierte Moleküle werden anschließend an
ihren Zielort transportiert, wo sie ihre Aufgabe erfüllen
können.



Was nützen diese Erkenntnisse über
die Arbeitsweise von DegP? Sie können helfen, bakterielle
Infektionen besser zu bekämpfen. Werden beispielsweise durch
eine heftige Immunantwort viele Proteine in der Zellhülle des
Bakteriums geschädigt, so müssen diese möglichst
kurzfristig durch neue Proteine ersetzt werden. Diese erhöhte
Nachfrage lässt den DegP-Betrieb des Bakteriums innerhalb von
kürzester Zeit auf Hochtouren laufen.



"Durch einen hohen DegP-Betrieb
sind humanpathogene Bakterien in der Lage, den Immunattacken des
menschlichen Körpers immer wieder zu trotzen", erklärt
Ehrmann. "Wir sind gerade dabei, die Funktion dieser
Müll-Entsorgungsanlage bei Bakterien durch die Entwicklung eines
neuen Antibiotikums zu unterbinden. Wenn DegP nicht mehr
funktioniert, können die gesundheitsgefährdenden Bakterien
nicht mehr im Wirtsorganismus überleben".



WANC 21.05.08

 
 
 
 
 
 
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