Vogelgrippe: Die Angst wächst

Die
Angst vor der Vogelgrippe wächst. Doch wie real ist die Bedrohung
wirklich? Das Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für
Tiergesundheit, FLI, hat auf einige Fragen Antworten zusammengestellt,
die ein wenig Licht in das Dunkel bringen können.


Die
EU-Außenminister zeigen sich besorgt. Der Vogelgrippevirus H5N1 wurde
in Rumänien bestätigt. Damit ist er außer in Südostasien auch in
Rußland, der Türkei, Griechenland und Mazedonien gemeldet worden. Die
rasche Ausbreitung hat die EU-Staaten zu einem gemeinsamen Handeln
veranlaßt. Viele Menschen sind verunsichert, weil eine Abschätzung des
tatsächlichen Risikos so schwer fällt und durch die rasante Verbreitung
des Virus immer wieder überholt wird.

Dennoch glaubt das
Friedrich-Loeffler-Institut,
Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, FLI, mit seiner
Risikobewertung immer noch richtig zu legen. In ihrer Bewertung gingen
die Experten des FLI von vornherein von der
möglichen Einschleppung des Virus in die Türkei und Rumänien aus. Wichtig für die Einschätzung ist die Nähe von Geflügelhaltungen zu Flugrouten und Rastplätzen von Zugvögeln aus den betroffenen Gebieten.

Generell,
so empfiehlt das FLI, sollten Hühner getrennt von Enten und Gänsen
gehalten werden. Die Maßnahmen können nach geographischer Lage und
regionalen Gegebenheiten variieren. Nach wie vor geht es primär darum,
die Einschleppung der Vogelgrippe in die Geflügelbestände zu
verhindern. „Die Tierseuche Vogelgrippe steht vor den Toren der EU,
nicht die für den Menschen gefährliche Pandemie,“ betont Prof. Dr.
Thomas C. Mettenleiter, Präsident des FLI.
Hierzu gehört auch die verstärkte Beobachtung und Untersuchung der
Wildvögel, das Monitoring, in Deutschland und den betroffenen Ländern.


Hier die Antworten auf wichtige Fragen:

1. Was versteht man unter Geflügelpest?


Die
Klassische Geflügelpest ist eine besonders schwer verlaufende Form der
aviären Influenza, die durch Influenzaviren der Subtypen H5 und H7
verursacht wird. Wassergeflügel bildet ein
natürliches Virusreservoir von hoher genetischer Vielfalt für niedrigpathogene Influenzaviren. Im infizierten
Wirtschaftsgeflügel können niedrigpathogene Influenzaviren der Subtypen
H5 und H7 zu einer hochpathogenen Form mutieren, die sich dann als
Geflügelpest klinisch zu erkennen gibt. Infektionen mit anderen
Subtypen bleiben auch beim Hausgeflügel meist ohne gravierende
klinische Auswirkungen.


2. Was ist das Besondere an dem Geflügelpestvirus H5N1/Asia?


Aviäres Influenzavirus vom Typ H5N1 trat erstmals 1997 in Südostasien auf und hat sich seitdem in
mehr als elf Ländern dieser Region ausgebreitet. Die Verluste bei Haus-
und Wirtschaftsgeflügel übersteigen 200 Millionen Tiere. Seit etwa 2001
werden vermehrt auch Infektionen bei Menschen, die direkten Kontakt zu
infiziertem Geflügel hatten, beobachtet. Die Infektion verlief bisher
bei 63 infizierten Personen tödlich. Auch andere Säugetiere können auf
natürlichem Wege (Tiger, Großkatzen, Zibetkatzen, Schweine) oder
experimentell (Mäuse, Frettchen, Katzen) infiziert werden, spielen aber
epidemiologisch bislang keine besondere Rolle. Andere Geflügelpestviren
zeigten bislang nicht die Eigenart, in diesem Umfang Speziesgrenzen zu
überwinden und auch bei Menschen schwere klinische Erkrankungen zu
induzieren.


3. Wie real ist die Gefahr der Einschleppung?


Die Wahrscheinlichkeit einer Einschleppung der Krankheit über die nachfolgend


aufgeführten Wege aus der Türkei und Rumäniens nach Deutschland wird wie folgt eingeschätzt:



4. Schaffen es infizierte Tiere bis hierher?


Grundsätzlich
ist es denkbar, dass sich der Erreger wegen der Überlappung der
Brutgebiete und der Zugrouten nach Westen ausbreitet. Wasservögel
können geringpathogene Influenzaviren verbreiten, ohne selbst zu
erkranken. Ob das auch für das hochpathogene H5N1-Virus zutrifft, ist
bislang nicht bekannt. In China hat das Virus stellenweise zu einem
Massensterben bei wilden Wasservögeln geführt.


5. Wann könnten theoretisch die ersten hier ankommen?


Die Zeiten
können je nach Wetterlage, den einzelnen Zugvogelarten und der
geographischen Lage der Brutgebiete erheblichen Schwankungen
unterliegen. Erfahrungsgemäß ist mit einem erhöhten Zugvogelaufkommen
in unseren Breiten zwischen Mitte September und Ende Oktober zu
rechnen. Der Herbstzug ist jedoch in erster Linie südwärts gerichtet,
was das Risiko für einen Eintrag von H5N1-Virus in die Bundesrepublik
durch Zugvögel zunächst reduziert.
Anmerkung: Um eine Verbreitung zu
verhindern, wurden Vorschriften erlassen, damit bei uns Zuchtgeflügel
nicht mehr frei herumläuft (Stallpflicht). Diese Maßnahmen sind bisher
bis Mitte Dezember beschränkt.


6. Was passiert, wenn hier der erste Fall auftaucht?


Für die
Bekämpfung der Geflügelpest gelten EU-weite- und nationale
Vorschriften. Grundsätzlich werden die infizierten Bestände getötet und
die Tiere unschädlich beseitigt. Für den Ernstfall haben alle
zuständigen Behörden Notfallpläne ausgearbeitet.


7. Gibt es bereits einen Impfstoff?


Derzeit stehen verschiedene inaktivierte H5-spezifische Influenzaimpfstoffe zur Verfügung, die beim
Geflügel auch gegen H5N1-Virus eingesetzt werden können. Die
Entwicklung neuartiger Impfstoffe zum Schutz von Nutzgeflügel vor der
Vogelgrippe wird intensiv betrieben. Erste Prototypen auf Basis von
viralen Vektoren sowie die dazugehörigen Testsysteme stehen bereits zur
Verfügung.

Mittels dieser Markerimpfstoffe und Markertests
können geimpfte und infizierte Tiere einfach und sicher unterschieden
werden. Eine generelle Impfung gegen Geflügelpest ist nach EU-Recht
allerdings verboten. Im Falle eines
Ausbruchs, der nicht allein durch „stamping out“-Maßnahmen zu beherrschen ist, oder in anderen Gefahrensituationen (z. B. konkrete Gefährdung der menschlichen Gesundheit), kann nach Zustimmung der EU-Mitgliedsländer die Impfung als zusätzliche Maßnahme bei der Seuchenbekämpfung eingesetzt werden, wie es z.B. in Norditalien seit dem Jahr 2000 praktiziert wird.

Die Impfung verhindert eine Erkrankung der Tiere und reduziert die Ausscheidung des
Seuchenvirus,
kann sie aber nicht völlig unterbinden. Deshalb ist nach Impfung mit
konventionellen Impfstoffen eine unerkannte Weiterverbreitung des
Erregers möglich. Markerimpfstoffe erlauben aber eine Unterscheidung
von geimpften und infizierten Tieren und verhindern damit eine
unerkannte Weiterverbreitung des Virus unter der „Impfdecke“.
Allerdings kann generell eine Selektion neuer Virusvarianten aufgrund
der Immunisierung nicht ausgeschlossen werden.

Auch beim
Einsatz von Impfstoffen bleibt daher die vollständige Tilgung des
Erregers oberstes Ziel. Anders ist die Situation in Südostasien. Dort
wird das Geflügel in einigen Regionen flächendeckend geimpft, um die
Erregerdichte in endemisch verseuchten Gebieten zu verringern. Dies ist
sinnvoll, um die Kontaktmöglichkeiten des Erregers zu anderen möglichen
Wirten, den Menschen eingeschlossen, zu begrenzen.


8. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass H5N1-Virus auf den Menschen übergeht?


Menschen können sich mit dem Virus anstecken und erkranken. Die Infektion erfordert allerdings eine
massive Aufnahme von Virus, wie sie wahrscheinlich nur bei direktem
Kontakt mit erkrankten oder an Geflügelpest verendeten Tieren möglich
ist. Influenzavirus ist hitzeempfindlich und wird beim Kochen zerstört,
einfrieren dagegen tötet den Erreger nicht ab.
Ausführlichere Informationen hierzu gibt es im Internet beim Bundesministerium für Gesundheit


und Soziale Sicherung (BMGS) und dem Robert-Koch-Institut (RKI).


9. Kann H5N1-Virus aus mit Vogelkot verschmutzten Regenwassernutzungsanlagen oder anderen Oberflächengewässern (Badeseen) übertragen werden ?


Offene Rückhaltebecken für Regenwasser, das als Brauchwasser (nicht als Trinkwasser!) in Haushalten genutzt wird, und Badeseen können durch Kot von Zugvögeln kontaminiert sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Stand: August 2005) ist ein Risiko einer Übertragung von H5N1-Virus aus diesen Quellen nicht gegeben, da es bislang keine Hinweise auf die Anwesenheit dieses


Virus in hiesigen Zug- oder Wildvögeln sowie in Hausgeflügel gibt.

Darüber
hinaus wird auch ein potentielles Risiko als sehr gering erachtet:
Daten aus Südostasien vermitteln den Eindruck, dass offenbar für eine
Infektion des Menschen mit H5N1 (Genotyp Z) die Aufnahme einer hohen
Virusdosis erforderlich ist. Einen hohen Verdünnungsfaktor im Brauchwasser und in Badeseen vorausgesetzt, werden solche Dosen bei weitem nicht erreicht. Im Übrigen spielen Regenwassernutzungsanlagen offenbar auch keine epidemiologische Rolle bei bakteriell verursachten Magen-Darmerkrankungen, obwohl im Vogelkot beständig obligat und fakultativ pathogene bakterielle Erreger angetroffen werden können.


10. Ist man auch für den Ausbruch der Krankheit bei Menschen ausreichend vorbereitet?


Das BMVEL steht in engem Kontakt zum BMGS und dem RKI, die für diesen Teil der Risikoabschätzung zuständig sind.


Anmerkung der Medizinauskunft: Kritiker monieren, dass einen ausreichende Vorsorge für den Fall der Fälle nicht getroffen ist.


11. Wie kann sich der Einzelne schützen (Tierhalter und normaler Bürger)?


Unnötiger
Kontakt mit krankem Geflügel sollte vermieden werden. Für Personen, die
Geflügelpesterregern in besonderem Maße ausgesetzt sein können, ist das
Tragen von geeigneter Schutzkleidung einschließlich Schutzmaske und
-brille die wichtigste Maßnahme. Sowohl Schutzanzüge als auch
Masken/Brillen sind Bestandteil der Materialien, die in den örtlichen
Krisenzentren auf Vorrat gelagert und im Seuchenfall zur Verfügung
gestellt werden. Die H5N1-Infektion ist bislang in Südostasien in der
ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle auf direkten und intensiven
Kontakt mit infiziertem (Haus-) Geflügel zurückzuführen. Übertragungen
von Mensch-zu-Mensch wurden bislang nur in einem Fall aus Thailand
(Mutter-Tochter) bestätigt. Insofern bestünde eine wichtige Maßnahme
für Bürger darin, Kontakte mit möglicherweise infiziertem Geflügel zu
meiden.


12. Was kann der Einzelne vorbeugend tun (z.B. bei Reisen u. a.)?


Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hat ein Merkblatt vorbereitet,
das den Botschaften in den betroffenen Ländern, dem Zoll und den
Reiseveranstaltern zur Verfügung gestellt wurde. Auch das Auswärtige
Amt informiert über seine Homepage mit ständig aktualisierten
Hinweisen. Reisende sollten in den betroffenen Ländern Kontakt zu
Geflügel meiden, auf den Besuch von
Geflügelmärkten verzichten und Geflügelfleisch nur gekocht oder durchgebraten verzehren. Selbstverständlich sollten keine Produkte in die EU eingeführt werden, die entsprechenden Verboten unterliegen.



13. Welche internationalen Aktivitäten gegen die Vogelgrippe gibt es?


Die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) leistet gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Internationalen Tierseuchenamt (OIE) intensive wissenschaftliche und technische Unterstützung. Einen Schwerpunkt bildet dabei Vietnam.


Die
Hilfsmaßnahmen zielen auf eine Intensivierung der Überwachungsmaßnahmen
vor Ort und den Ausbau der diagnostischen Möglichkeiten ab. Aber auch
die Verbesserung der risikoanalytischen Fähigkeiten und die Anwendung
von Impfprogrammen sind Ziele der Zusammenarbeit.


14. Können auch Tauben an Geflügelpest erkranken?


Tauben sind für Geflügelpest weniger empfänglich als Hühner und Puten. Eine Infektion mit dem H5N1-Virus
aus Asien kann jedoch auch bei Tauben zur Erkrankung und zu Todesfällen
führen. Im Vordergrund stehen zentralnervöse Symptome. Von den
infizierten Tauben wird der Erreger
allerdings
nur in sehr geringem Maße ausgeschieden, so dass das Verbreitungsrisiko
durch Tauben auf Basis der bisherigen Daten als gering eingeschätzt
wird.



WANC 20.10.05





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/20_10_vogelgrippe_fragen.php
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