Foto: Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie / Volker Brinkmann
Die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme zeigt einen pandemischen Virusstamm (A/Hamburg/04/09), der 18 Stunden nach der Infektion eine menschliche Lungenzelle zerstört (Foto: Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie / Volker Brinkmann)
> Influenza: Das Grippevirus aushungern

Wie kann man eine Grippe sicher
bekämpfen. Heutige Therapien greifen das Virus selbst an und kranken
daran, dass die Grippeviren extrem wandlungsfähig sind. Um sie zu
eleminieren, müssen Impfstoffe ständig verändert werden.
Wissenschaftler haben jetzt einen neuen Ansatzpunkt gefunden: Die Viren
benötigen zur Vermehrung menschliche Proteine. Um sie daran zu hindern,
sich davon zu ernähren, soll der Austausch zwischen den Wirtszellen und
den Viren blockiert werden.
Infektionen mit Influenzaviren können lebensbedrohlich sein und führen
alleine in Deutschland zu mehreren Tausend tödlichen
Krankheitsverläufen pro Jahr. Davon sind vor allem Patienten mit
geschwächtem Immunsystem betroffen. Neuartige Influenzaviren wie
beispielsweise der Neuen Grippe ("Schweinegrippe"), die sich 2009
innerhalb weniger Wochen weltweit ausbreitete, bergen zusätzliche
Risiken. Bislang stehen zur Verhütung und Behandlung einer Grippeinfektion
ausschließlich Impfstoffe und antivirale Medikamente zur Verfügung, die
gegen das Virus selbst gerichtet sind. Aufgrund der hohen
Wandlungsfähigkeit der Viren müssen Impfstoffe jedoch immer wieder an
das aktuell zirkulierende Virus angepasst werden. Gängige
Grippemedikamente versagen immer häufiger, weil Influenzaviren dagegen
resistent geworden sind. Grippeviren hängen bei ihrer Vermehrung stark von den Proteinen der
infizierten Zelle ab; die meisten davon waren allerdings bisher nicht
im Zusammenhang mit Influenza bekannt. Wissenschaftler am
Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin haben jetzt unter
den zirka 24.000 Genen des Menschen insgesamt 287 Wirtszellfaktoren
aufgespürt, die bei der Virusvermehrung beteiligt sind. Viele der
identifizierten Proteine sind für unterschiedliche Influenzaviren
gleichermaßen bedeutsam, darunter auch das neue pandemische H1N1 Virus.
Die jetzt neu gefundenen Wirtszellfaktoren, die für das Zustandekommen
und den Verlauf von Influenzainfektionen unerlässlich sind, werden nun
am Max-Planck-Institut weiter untersucht. Langfristiges Ziel ist die
Entwicklung von Medikamenten, die diese Wirtszellfaktoren blockieren,
ohne nennenswerte Nebenwirkungen hervorzurufen. Die Forscher gehen
davon aus, dass solche neuartigen Virustatika kaum zu einer
Resistenzentwicklung der Viren führen und sich auch gegen bisher
unbekannte Influenzasubtypen als wirksam erweisen. Vorstellbar wäre
auch, die identifizierten humanen Gene mittels der Methode der RNA
Interferenz selbst zu hemmen. Mit der sich immer stärker verdichtenden Erkenntnis, dass für den
Verlauf von Infektionen beide Seiten, nämlich die des Erregers und die
seines Wirts, benötigt werden, eröffnen sich neue Chancen für die
Behandlung akuter und chronischer Infektionen. "In der Zukunft wird die
Strategie, menschliche Genfunktionen zu bestimmten Zeiten gezielt
abzuschalten, eine wichtige Rolle auch bei der Bekämpfung von
Infektionskrankheiten einnehmen - neben dem Einsatz von Antibiotika und
Impfstoffen," sagt Professor Thomas Meyer, Geschäftsführender Direktor
des Berliner MPI und Leiter der Forschergruppe. "Zwar erscheint uns das
Ausschalten menschlicher Genfunktionen auf den ersten Blick als
problematisch, aber es handelt sich um genau dasselbe therapeutische
Prinzip, das wir seit Jahrzehnten zur medikamentösen Behandlung
sonstiger Erkrankungen von Krebs bis hin zu lästigen Kopfschmerzen
erfolgreich heranziehen. Also warum nicht auch für die Therapie von
Infektionskrankheiten?" MA 19.01.10, Quelle: Alexander Karlas, Nikolaus Machuy, Yujin Shin,
Klaus-Peter Pleissner, Anita Artarini, Dagmar Heuer, Daniel Becker,
Hany Khalil, Lesley A. Ogilvie, Simone Hess, Andre? P. Mäurer, Elke
Müller, Thorsten Wolff, Thomas Rudel und Thomas F. Meyer, Human host
cell factors crucial for influenza virus replication identified by
genome-wide RNAi screen, Nature
 
 
 
 
 
 
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