Grippevirus an der Ausbreitung hemmen - das Virus am Eindringen in eine Körperzelle hindern (Foto: Roche)
> Wie Grippeviren den Körper überfallen

Ganz einfach hat es das Influenzavirus
auch nicht. Es muss in den Kern einer Körperzelle des Menschen
eindringen, um sich zu vermehrn. Doch diese Zelle ist geschützt und
wehrt sich. Damit das Virus dennoch zum Ziel kommt, nutzt es bestimmte
Wege von bestimmten Stoffen (Proteinen), an die es sich bindet.
Forscher gehen davon aus, dass eine zeitweise Unterdrückung dieser
Proteine dafür sorgen könnte, die Ausbreitung dieser Infektion zu
verhindern. Und das könnte eine neue Therapiemöglichkeit gegen die
Grippe sein.
Grippeviren der Gattung Influenza A stellen für den Menschen eine
besondere Bedrohung dar. Ihre verschiedenen Varianten können nämlich
Artgrenzen überspringen, wie in den letzten Jahren geschehen, etwa vom
Schwein oder auch von Vögeln auf den Menschen. Damit das Influenzavirus
sich vermehren und somit eine Infektion ausbreiten kann, muss das Virus
in den Kern der Körperzellen des infizierten Wirts eindringen. Dazu
muss es sich an spezifische Proteine adaptieren (anpassen), die den Weg
in den Zellkern vermitteln, Varianten der sogenannten alpha-Importine. Zellkerne sind durch eine Membran geschützt, durch die nur kleine
Moleküle ungehindert eindringen können. Der Importweg von größeren
Molekülen und auch der von Viren erfolgt in Abhängigkeit der Importine
alpha und beta. Welche Rolle die mittlerweile sechs bekannten, einander
sehr ähnlichen Varianten (Isoformen) des alpha-Importins bei der
Infektion von Influenzaviren spielen, war bisher nicht bekannt. Die Forschergruppe um Gülsah Gabriel vom Heinrich-Pette-Institut für
Experimentelle Virologie und Immunologie an der Universität Hamburg und
Prof. Dr. Karin Klingel von der Abteilung für Molekulare Pathologie des
Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Tübingen belegt in
ihrer Studie, dass Vogelgrippeviren Importin-alpha 3 benötigen, während
Viren, die an Säugetiere angepasst sind, nicht ohne Importin-alpha 7
effizient neue Nachkommenviren entstehen lassen können. Die Vermehrung
der neuen Influenzavariante H1N1v ist offensichtlich von beiden
Importinvarianten alpha-3 und alpha-7 abhängig. Importin-alpha 3 unterscheidet sich kaum vom Importin-alpha 7, das eher
bei Säugetieren relevant ist; beide Varianten sind zu 99 Prozent
identisch. Die Forscher schließen daraus, dass die Interaktion von
Vogelviren mit Importin-alpha 3 vermutlich als Wegbereiter für die
Anpassung der Viren an Säugetiere zu sehen ist. An Experimenten mit Mäusen konnten die Forscher bestätigen, dass ein
Fehlen des Importin-alpha 7 den Verlauf einer Infektion mit der
Mausvariante von H7N7 deutlich abschwächt. Bei Mäusen, die kein
Importin-alpha 7 besitzen, blieb die Infektion auf die Lunge
beschränkt, während in Wildtypmäusen Virusreplikation in Lunge, Leber
und Gehirn nachgewiesen wurde. Frühere Forschungen hatten bereits
gezeigt, dass H7N7 auch Zellen des Immunsystems infizieren kann, die
sogenannten Makrophagen. Bei Tieren, die kein Importin-alpha 7 besitzen, blieb eine Infektion
dieser Immunzellen aus. Ähnliche Ergebnisse fanden sich auch bei
Infektionen mit H1N1v und H5N1. Die Forscher schließen aus diesen
Ergebnissen, dass Importin-alpha 7 offenbar einen entscheidenden
Einfluss darauf hat, ob Influenzaviren sich außerhalb der Lunge
ausbreiten können und somit weitere Organe befallen werden. Klingel:
„In dieser Studie konnten wir erstmals zeigen, dass die Empfänglichkeit
für eine Virusinfektion durch Abschaltung ganz spezifischer zellulärer
Proteine reduziert werden kann.“ Diese Erkenntnis, so die Forscher, könnte von therapeutischem Nutzen
sein. Eine vorübergehende Unterdrückung des Importin-alpha 7 bei
Patienten könnte möglicherweise helfen, die Ausbreitung dieser
Infektion zu verhindern. WANC 19.01.11, Quelle: Nature Communications, 18. Januar 2011, DOI: 10.1038/ncomms1158
 
 
 
 
 
 
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