Jedem Patienten sein eigener Impfstoff


Die Behandlungserfolge waren verblüffend: Maßgeschneiderte Impfstoffe, die individuell für jeden Patienten aus "seinem" Erreger hergestellt worden waren, sogenannte Autovakzinen, waren in der Lage, schwere chronische Infektionen durch Bakterien zu heilen.


Berichte über derartige Impferfolge erschienen bereits vor 100 Jahren in medizinischen Fachzeitschriften, Jahrzehnte bevor Antibiotika die Infektionstherapie eroberten - und schließlich die Autovakzinen verdrängten und weitgehend in Vergessenheit geraten ließen. Wissenschaftler am Hygieneinstitut des Universitätsklinikums Heidelberg haben einen internationalen Forschungsverbund organisiert, um gemeinsam die Wirksamkeit von Autovakzinen und anderer Verfahren, die echte Alternativen für Antibiotika sein könnten.


Das Prinzip der Herstellung von Autovakzinen hat sich in den vergangenen 100 Jahren nicht verändert: Der Erreger wird aus dem Infektionsherd entnommen, angezüchtet und schonend abgetötet; der Totimpfstoff wird dem erkrankten Patienten per Injektion wieder verabreicht. Aus der westlichen Humanmedizin hat sich die Autovakzinierung fast vollständig verabschiedet. Regelmäßig wird sie nur noch in osteuropäischen Ländern praktiziert, überwiegend zur Behandlung von Infektionen mit dem Bakterium Staphylococcus aureus, das u.a. schwere chronische Hautinfektionen hervorrufen kann, etwa eine Furunkulose. Unter der Leitung von Dr. Oliver Nolte sollen die Autovakzine sowie andere Formen der therapeutischen Impfung gegen bakterielle Infekte wissenschaftlich untersucht werden.


"Herkömmliche Impfstoffe, etwa gegen Masern- oder Grippeviren, enthalten abgetötete Erreger oder deren Bestandteile und werden in Massenproduktion hergestellt", erklärt Nolte. Der Körper reagiert auf die Impfung, das Immunsystem baut Abwehrkräfte gegen den Erreger auf. Die klassischen Impfungen dienen der Vorbeugung von Infektionen. Individuelle Autovakzinen kommen dagegen zum Einsatz, wenn eine chronische Infektion nicht beherrschbar ist. Das Immunsystem wird gezielt gegen den auslösenden Erreger sensibilisiert, und kann bestehenden Infektionen, z. B. als Furunkel, Abszesse oder eitrige Pickel, positiv beeinflussen bzw. weitere Infektionen verhindern. Der genaue Mechanismus dieser Immunreaktion ist unbekannt und soll durch Arbeiten des neuen Forschungsverbundes geklärt werden.


Ein Vorteil der Autovakzine gegenüber Antibiotika: Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden treten in der Regel nicht auf. Ihr Einsatz in der Veterinärmedizin, der bereits bei schwer beherrschbaren Infektionen praktiziert wird, bringt einen weiteren Vorteil. Da auf Antibiotika verzichtet werden könnte, würde das Risiko der gefürchteten Ausbildung von Resistenzen gesenkt, eine höhere Lebensmittelsicherheit wäre gewährleistet. "Vor allem der Erreger Staphylococcus aureus, der u. a. eitrige Hautinfekte hervorruft, aber auch einige andere bakterielle Erreger haben in den letzten Jahren eine weitreichende Ausstattung an Resistenzen erworben," warnt Nolte.


Die wachsende Widerstandsfähigkeit von Keimen, ausgelöst durch falschen Gebrauch von Antibiotika, hat die Autovakzinen erneut ins Gespräch gebracht hat. Vor allem im Krankenhausbereich werden erhebliche Anstrengungen unternommen, die Verbreitung des "multiresistenten" Staphylococcus aureus (MRSA) zu verhindern. Im vergangenen Jahr wurden in den USA erstmals zwei Stämme gefunden, die gegen sämtliche verfügbaren Mittel, sogar den Rettungsanker Vancomycin resistent sind.



Welche Patienten könnten möglicherweise von der Entwicklung der Autovakzinen oder anderer Verfahren profitieren? Die Heidelberger Wissenschaftler haben ein recht breites Spektrum chronischer Infektionen im Visier. "Beim Menschen könnte sich der Einsatz auf chronische Infektionen des Harntrakts und der Atemwege sowie andere Hauterkrankungen wie Akne erweitern", so Nolte.


WANC 18.09.03





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/18_09_autovakzinen.php
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