Spritze
Grippeimpfung: Nur wenige hochwertige Daten über Nutzen und Schaden (Foto: pte)
> Grippeimpfung: Im Alter weniger wirksam
Wie sinnvoll ist eine Schutzimpfung
gegen Grippe? Obwohl sie gerade für ältere Menschen
vornehmlich empfohlen wird, ist ihre Wirksamkeit wohl relativ gering.
Doch auch generell wird der Nutzen der Grippeimpfung angezweifelt.
Wissenschaftler reklamieren, dass es keine wirklichen Beweise für
die angestreibten Wirkungen gebe.


Die Grippeschutzimpfung ist bei älteren
Menschen offenbar weniger wirksam als oft angenommen. Zu diesem
Ergebnis kamen amerikanische Epidemiologen, die mehrere Impfstudien
auswerteten. Wie die "Apotheken Umschau" berichtet, halten
die Forscher die positiven Effekte der Grippeschutzimpfung bei über
65-Jährigen für "stark übertrieben". Sie
verwiesen auf eine bekannt schwächere Immunreaktion des älteren
Organismus. Richtig sei allerdings, dass diese Menschen ein höheres
Risiko haben, an einer Grippe zu sterben. Deshalb bleiben auch die
kritischen Epidemiologen bei der Empfehlung zur jährlichen
Grippeimpfung für über 65-Jährige.



Damit liegen Sie auf der Linie der
Weltgesundheitsorganisation. Die WHO betont nämlich, dass „eine
Impfung bei älteren Personen das Risiko ernster Komplikationen
oder eines Todesfalls um 70-85 Prozent reduziert“.



Doch ob das so stimmt, zog schon ein
Bericht von Tom Jefferson, Cochrane Vaccines Field Anguillara
Sabazia, Roma, Italia, in Zweifel, der vor einem Jahr im renommierten
Medizinerblatt British Medical Journal (BMJ, 2006; 333; 912-915 doi:
10.1136/bmj.38995.531701.80) veröffentlicht wurde. Darin zieht
der Wissenschaftler den Nutzen der Grippeimpfung generell in Zweifel.
Seiner Meinung nach besteht ein Mangel entweder an Beweisen überhaupt
oder an überzeugenden Nachweisen bezüglich der meisten mit
den Zielen der Impfkampagnen angestrebten Wirkungen. Bei Kindern
unter zwei Jahren hätten die inaktivierten Impfstoffe dieselbe
Feld-Wirksamkeit wie unwirksame Scheinmedikamente (Placebos) gehabt.
Und bei gesunden Personen unter 65 war die Impfung ohne Einfluss auf
Krankenhausaufnahmen, Arbeitsausfälle oder Sterberate infolge
Grippe und deren Komplikationen.



Jefferson betont, dass es keinen
Hinweis zu geben scheint, dass eine jährlich Neuimpfung
schädlich wirkt. Doch die Datenlage sei sehr schwach. Studien,
die höchsten wissenschaftlichen Anforderungen genüge, gebe
es kaum. Das beziehe sich auch auf eine Überprüfung der
Sicherheit der Impfstoffe, die jedes Jahr neu an den sich
verändernden Virus angepasst werden.



Skeptisch beurteilt auch das Robert
Koch Institut (RKI) die Wirksamkeit von Grippeimpfungen. „Bei
der Grippeimpfung dagegen ist die Wirkung weniger gut. Je nach Alter
und Gesundheitszustand schützt sie 50 bis 90 Prozent
der Geimpften vor Grippe, wobei die Impfung bei alten Menschen in der
Regel am schlechtesten anschlägt. Auch wenn eine notwendige
Auffrischimpfung nicht rechtzeitig durchgeführt wurde oder sich
der Immunschutz noch nicht vollständig aufgebaut hat, bleibt der
Effekt einer Impfung oft unvollständig.“



Dass
RKI weist auch darauf hin, dass Impfstoffe unbestrittene
Nebenwirkungen haben. Im Jahr 2005 wurden insgesamt etwa 44 Millionen
Impfstoffdosen in Deutschland verkauft, rund die Hälfte davon
entfiel auf die jährliche Grippeimpfung. Im selben Zeitraum
meldeten Ärzte und Pharmahersteller knapp 1400 vermutete
Impfkomplikationen – das entspricht einer Rate von etwa drei
Verdachtsfällen pro 100 000 verkaufte Dosen.



Wie
eine eingehende Analyse aller vermuteten Komplikationen durch das
Paul-Ehrlich-Institut ergab, lagen bei knapp einem Drittel der
gemeldeten Fälle keine Hinweise auf einen möglichen
Kausalzusammenhang mit der Impfung vor. Zudem war ein großer
Teil der angegebenen Gesundheitsstörungen – beispielsweise
hohes Fieber – vorübergehender Natur. Lediglich bei fünf
Geimpften wurde eine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung
gemeldet, die möglicherweise durch die Impfung ausgelöst
worden war. Auch im Fall eines nach der Impfung verstorbenen
Erwachsenen ließ sich eine ursächliche Verbindung mit der
Impfung zumindest nicht ausschließen.



Tatsächlich
liege hier eine Hauptschwierigkeit der Risikobewertung: Impfungen
sind so häufig, dass viele Gesundheitsstörungen ganz
zufällig nach der Immunisierung auftreten können. Ein
echter Zusammenhang muss deshalb gar nicht bestehen. Vor einigen
Jahren wurde beispielsweise die Vermutung diskutiert, der plötzliche
Kindstod könnte durch Impfungen begünstigt werden, da
Kinder in einer Reihe von Fällen kurz nach einer Immunisierung
verstorben waren.



WANC 10.12.07

 
 
 
 
 
 
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