Krankenhaus: Tödliche Gefahr Klinikkeime

Die Gefahr, sich im Krankenhaus lebensgefährlich zu infizieren, ist hoch. Dafür gibt es viele Gründe. Beispielsweise, dass Hygienevorschriften nicht so penibel befolgt werden, wie es eigentlich notwendig wäre. Und: Der häufige Einsatz von Antibiotika lässt Keime so widerstandsfähig werden, dass man sie kaum noch abtöten kann.


Für die meisten Menschen gehören Krankenhäuser zu den saubersten Orte, die sie in ihrem Leben betreten. Die Krankenzimmer werden täglich gereinigt, Gegenstände penibel desinfiziert und in den Operationsräumen werden keine Keime geduldet, schon gar nicht auf den Instrumenten des Chirurgen, die vor jedem Eingriff aufwendig sterilisiert werden.


So sieht jedenfalls die Theorie aus. Denn tatsächlich ist das Infektionsrisiko nirgends höher als in einer Klinik. Dies liegt zum einen an der Abwehrschwäche vieler Patienten, die sich häufig Operationen unterziehen, die Keimen eine breite Angriffsfläche bieten. Zum anderen treffen in Kliniken viele Keimträger aufeinander, und der häufig erforderliche Einsatz von Antibiotika fördert das Auftreten von widerstandsfähigen Keimen wie den gefürchteten MRSA, den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus, die auch für Gesunde zur tödlichen Gefahr werden können.


Hinzu kommt, dass es zwar hygienische Empfehlungen für Krankenhäuser gibt. Nach Erfahrungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene halten sich aber nicht alle daran. Studien haben gezeigt, dass Infektionen vielfach einfach dadurch entstehen, dass sich beispielsweise Ärzte nicht richtig die Hände waschen und desinfizieren.


Um die Gefährdung für die Bevölkerung besser beurteilen zu können, hat das Bundesministerium für Gesundheit im Jahr 1995 am Robert-Koch-Institut in Berlin ein Nationales Referenzzentrum (NRZ) zur Surveillance (zu deutsch Überwachung) von nosokomialen Infektionserregern eingerichtet, das jetzt aktuelle Zahlen zur Bedrohung vorlegt.


Am häufigsten sind Wundinfektionen nach Operationen. Professor Petra Gastmeier vom NRZ schätzt die Zahl für Deutschland auf 225 000. Es folgen Harnwegsinfekte mit 155 000 Fällen pro Jahr und 80 000 tiefe Atemwegsinfektionen, darunter 60 000 Pneumonien. Bei 20 000 Patienten treten die Erreger ins Blut, es kommt zur Sepsis. Die anderen Erkrankungen entfallen auf seltenere Infektionen.


Insgesamt sterben in Deutschland jedes Jahr zwischen 10 000 und 15 000 Menschen, weil sie sich im Krankenhaus eine schwere Infektion zugezogen haben. Die Gesamtzahl dieser nosokomialen Infektionen wird auf 400 000 bis 600 000 pro Jahr geschätzt.


Wie Gastmeier betont, handelt es sich nicht um eine aktuelle bundesweite Querschnittsuntersuchung, wie sie zuletzt 1994 durchgeführt wurde. Die Hygiene- und Umweltexpertin hat die damaligen Ergebnisse jedoch anhand von neueren Studien aktualisiert. Dazu gehört das 1997 ins Leben gerufene Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS), das regelmäßig Daten zu nosokomialen Infektionen sammelt. Die Meldungen sind allerdings freiwillig und auf bestimmte Erkrankungen beschränkt.


Die Schätzungen mögen deshalb mit einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren behaftet sein, gesteht die Expertin zu. Die Zahlen würden aber mit den Erfahrungen anderer Länder übereinstimmen. So wurden aus England zuletzt 320 000 Infektionen gemeldet, in den USA sind es sogar 1,7 Millionen pro Jahr.


In diesen beiden Ländern ist es in den letzten Jahren zu einem Anstieg der MRSA gekommen. In den USA waren es zuletzt fast 95 000 Fälle. Professor Gastmeier schätzt die Zahl der MRSA-Infektionen in Deutschland auf 14 000 pro Jahr. Nosokomiale Infektionen haben damit eine erhebliche Bedeutung für die Krankenhäuser in Deutschland, sagt Gastmeier: Sie verlängern die Verweildauer in den Kliniken, verteuern die Therapie und gefährden das Leben vieler Menschen. Vorbeugende Maßnahmen haben deshalb nach wie vor eine hohe Priorität.


WANC 09.06.08
Quelle: P. Gastmeier, C. Geffers: Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Wie viele gibt es wirklich? Eine Schätzung für das Jahr 2006. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2008; 133 (21): S. 1111–1115





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/09_06_klinikkeime.php
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