Wenn Infektionen das Immunsystem durcheinanderbringen

Plötzlich
ist das längst überwunden geglaubte Fieber wieder da. Man fühlt sich
schlapp und gerät schnell außer Atem. Anzeichen dafür, dass das
Immunsystem aus dem Takt gekommen ist. Denn mitunter attackiert der
Körper sich nach einem Infekt auch mal selbst.




Die
Rede ist von einem rheumatischen Fieber. Es handelt sich um eine von
mehreren Erkrankungen, die zwar indirekt die Folge einer
Infektionserkrankung sind, die aber viele Wochen danach auftreten
können und nicht mehr direkt durch die ursprünglichen Keime verursacht
werden. Stattdessen spielt hier das Immunsystem der Betroffenen
verrückt. Es wird durch winzige Moleküle auf der Oberfläche der Keime
durcheinandergebracht und stürzt sich Wochen später wie fanatisch auf
Strukturen des eigenen Körpers. „Solche Autoimmunerkrankungen nach
einem Infekt sind glücklicherweise selten“, sagt Professor Klaus
Pfeffer von der Universität Düsseldorf. Sie rechtzeitig zu erkennen ist
allerdings äußerst wichtig, denn sie können fatale Folgen haben.


Beim rheumatischen Fieber schlägt
sich der Übereifer des Immunsystems vor allem aufs Herz. Die Bakterien,
die Mandel- oder Rachenentzündungen verursachen, sind häufig
A-Streptokokken, die auf ihrer Oberfläche ein Eiweiß-Molekül tragen;
dieses Antigen wird als M-Protein bezeichnet. „Es ähnelt
unglücklicherweise einem Molekül, das auch beim Menschen vorkommt,
nämlich dem Myosin in Herzmuskelzellen“, erläutert Pfeffer. Die Folge: Körper eigene T-Abwehr-Zellen, die sich ursprünglich beim
Kampf gegen die A-Streptokokken an deren M-Protein orientiert haben,
machen sich jetzt durch die Verwechselung am eigenen Herzen zu
schaffen. Das wiederum führt dazu, dass die Funktion des Herzens
langsam nachlässt und vor allem die Herzklappen unwiederbringlich
geschädigt werden.




„Das
rheumatische Fieber ist bei uns zum Glück selten geworden. In
Entwicklungsländern ist es dagegen ein großes und zunehmendes Problem“,
weiß Pfeffer. Über die Gründe dafür, warum Mitteleuropäer von dieser
Komplikation heute anders als früher weitgehend verschont bleiben,
können auch die Wissenschaftler nur spekulieren. Möglicherweise hängt
es damit zusammen, dass bei den vor allem gefährdeten Kindern heute bei
Rachenentzündungen eher ein Antibiotikum verschrieben wird als früher,
so Pfeffer. Diese Vermutung ist aber schwer beweisbar. Eine alternative Erklärung
lautet, dass nur ganz bestimmte Stämme von A-Streptokokken die
Fähigkeit haben, ein rheumatisches Fieber zu verursachen. Die
geographische Verteilung der unterschiedlichen Streptokokkenstämme aber
ändert sich ständig.




Das rheumatische Fieber ist zwar die
bekannteste, aber beileibe nicht die einzige Autoimmunerkrankung, die
als Folge eines banalen Infekts auftreten kann. Pfeffer betont vor
allem die reaktive Arthritis: „Das ist eine durch fehlgeleitete
Immunreaktionen verursachte Gelenkentzündung“. Ursächlich sind dabei
nicht so sehr Racheninfekte, sondern eher durch Keime ausgelöste
Durchfallerkrankungen, die meist fünf bis zwölf Wochen vor den
Gelenkproblemen auftreten. Typisch ist zum Beispiel eine
Salmonelleninfektion, aber auch die häufigeren Campylobacter-Durchfälle
können sich auf die Gelenke schlagen.




Ein paar Wissenschaftler gehen aber
noch viel weiter und diskutieren die Frage, ob nicht einigen viel
häufigeren Erkrankungen auch Abwehrreaktionen gegen den eigenen Körper
zugrunde liegen: Typ-1-Diabetes zum Beispiel ist eine Erkrankung, bei
der Immunreaktionen des eigenen Körpers die insulinproduzierenden
Zellen der Bauchspeicheldrüse ausschalten. Und auch bei der Multiplen
Sklerose scheinen die Abwehrzellen verrückt zu spielen.




Warum der eine Mensch nach einem
Infekt eine Autoimmunerkrankung entwickelt, der andere aber nicht, das
ist noch nicht so ganz geklärt. „Es gibt klare Zusammenhänge mit
bestimmten Genen“, so Pfeffer. Das Gen HLA-B27 zum Beispiel, das den
Bauplan für eine immunologisch bedeutsame Oberflächenstruktur auf
Abwehrzellen enthält, scheint mit den reaktiven Gelenkentzündungen
gleichzeitig vorzukommen. Einfluss auf die Behandlung hat diese
Erkenntnis bisher allerdings nicht. WANC 08.11.04/Medica





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/08_11_immunsystem.php
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