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Virus H1N1: Die Krankheitsverläufe werden schwerer, weitere Kranheitswellen sollen folgen (Foto: euroclinix)
> Schweinegrippe: Weniger Neuinfektionen – trotzdem impfen

Ist der Scheitelpunkt bei der
Infektionswelle mit der Schweinegrippe in Deutschland bereits erreicht?
Wenn es allein nach der Zahl der Neuinfektionen geht, dann sieht es
ganz so aus. Dennoch weitet die Ständige Impfkommission (STIKO) die
Impfempfehlung aus. Denn die Experten rechnen mit weiteren Wellen.
Alles Panikmache?
Der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages tagte. Dabei trug
der Präsident des Robert-Koch-Institutes (RKI), Prof. Jörg Hacker, vor,
dass bisher 172.000 Erkrankungen durch das neue H1N1-Virus registriert
worden seien. Insgesamt sind 66 Todesfälle gemeldet. In der vergangenen
Woche, so die gute Botschaft, wurden „nur“ 23.000 Neuinfektionen
verzeichnet, in der Woche davor waren es noch 33 000. Hacker sagte
dazu, dass der „Gipfel des Geschehens" und der „Scheitelpunkt“
vielleicht schon erreicht sei. Allerdings tun sich die Experten schwer, Entwarnung zu geben. Im
Gegenteil. Eher mehr schwere Krankheitsverläufe und mehr Todesfälle
werden prophezeit.  So berichtet die Medizinische Hochschule Hannover (MHH), dass die
Zuweisungen schwerst kranker H1N1-Patienten zurzeit noch zunehme. „Seit
Beginn der Erkrankungswelle hat das Team der
Erwachsenen-Intensivstation der MHH bislang 18 an der Schweinegrippe
schwerst erkrankte Erwachsene aus anderen Kliniken übernommen und
behandelt", sagt MHH-Sprecher Stefan Zorn. „Bei vielen der Patienten
hat die H1N1-Virusinfektion ein so schweres Lungenversagen
hervorgerufen, dass sie neben der künstlichen Beatmung auch eine
Herz-Lungenmaschine benötigen." Viele der Patienten im Alter von 17 bis
59 Jahre litten nach Angaben der Mediziner an keiner relevanten
Vorerkrankung. Derzeit kämen täglich weitere Fälle hinzu. Bei den meisten Gestorbenen ist das allerdings anders, dort sind
Risikofaktoren wie Vorerkrankungen hinzugekommen. Insgesamt werden
jedoch zumeist milde Krankheitsverläufe verzeichnet. Auch ist von
Arztpraxen ein leichter Rückgang bei den Konsultationen wegen
Atemwegserkrankungen gemeldet worden, was auf ein Abnehmen der
Ansteckungen hindeutet. Doch viele Infektionfachleute erwarten noch eine wenn nicht sogar
mehrere Erkrankungswellen. Und die STIKO sagt: „Die Impfung gegen die
Neue Influenza ("Schweinegrippe") ist nach wie vor wichtig, da die
momentane Welle noch andauert und davon auszugehen ist, dass nach
Erreichen des Scheitelpunkts einer Welle in der Regel mindestens noch
einmal so viele Fälle auftreten wie vor Erreichen des Scheitelpunktes.
Außerdem kann die weitere Entwicklung der Grippeaktivität im Winter
nicht vorausgesehen werden, frühere Influenzapandemien sind oft in
mehreren Wellen aufgetreten.“ Deshalb hat die STIKO auch ihre Empfehlungen zur Schutzimpfung gegen
die Neue Influenza erweitert. Anfang Oktober war zunächst die Impfung
für Medizinpersonal, chronisch Kranke und Schwangere empfohlen worden
(Indikationsgruppen 1 bis 3). Nun wird empfohlen, in Abhängigkeit von
der Verfügbarkeit der Impfstoffe stufenweise die Impfung aller
Indikationsgruppen durchzuführen. Dabei sollen zunächst
Haushaltskontaktpersonen ungeimpfter Risikopersonen (zum Beispiel
Eltern von Kindern unter sechs Monaten, die nicht geimpft werden
können, oder Haushaltskontakte von ungeimpften chronisch Kranken) sowie
Kinder und junge Erwachsene im Alter bis 24 Jahre ohne Grundkrankheit
(Gruppe 5) eine Impfung erhalten. Im weiteren Verlauf sollen dann
Personen im Alter von 25 bis 59 Jahren (Gruppe 6) und schließlich
Personen ab 60 Jahre (Gruppe 7) geimpft werden. Bei rund drei Viertel der in Deutschland im Zusammenhang mit der Neuen
Influenza verstorbenen Menschen gibt es Hinweise auf eine
Grundkrankheit. Die aktuellen Daten unterstreichen jedoch auch ein
erhöhtes Risiko von jungen Kindern und von Jugendlichen, sowohl an der
Neuen Influenza A (H1N1) zu erkranken als auch schwere
Krankheitsverläufe zu entwickeln. Wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hervor hebt, liegen derzeit keine
Hinweise für vermehrte schwere unerwünschte Wirkungen nach einer
Impfung vor. Aber wie vor anderen Impfungen sollte auch bei der neuen
Influenza-Impfung grundsätzlich eine individuelle
Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen werden. Ergänzend zur
STIKO-Empfehlung haben das PEI und das RKI mitgeteilt, dass nach
derzeitigem Stand eine einmalige Impfung in allen Altersgruppen
ausreicht, um eine „protektive Immunität“ zu erreichen. Schwangere haben ein erhöhtes Risiko, bei Infektion mit dem Neuen
Influenzavirus A (H1N1) einen schweren Krankheitsverlauf zu entwickeln.
Daher empfiehlt die STIKO, Schwangere nach individueller
Nutzen-Risiko-Abwägung gegen die Neue Influenza zu impfen. Wortwörtlich
heißt es: „Demnach können Schwangere mit einem adjuvantierten wie auch
mit einem nicht-adjuvantierten Impfstoff geimpft werden. Grundsätzlich
bestehen bei keiner der beiden Impfstoffvarianten Sicherheitsbedenken.
Da jedoch nur mit nicht-adjuvantierten (saisonalen)
Influenzaimpfstoffen umfangreichere Erfahrungen bei Schwangeren
vorliegen, sollten diese bis zum Vorliegen weiterer Daten vorzugsweise
mit einem nicht-adjuvantierten Impfstoff geimpft werden.“ Viele trauen diesem Rat nicht. Denn eines ist klar: Es liegen noch
keine umfangreichen klinischen Studien zur Impfung von Schwangeren mit
dem mit Wirkverstärkern versehenen Impfstoff Pandemrix vor. Den 
Berufsverband der Frauenärzte (BVF) ficht das allerdings nicht an. Er
will mehr Schwangere zur Impfung gegen die sogenannte Schweinegrippe
animieren. Der Sprecher der AG Impfen des BVF, Michael Wojcinski,
sagte, dass angesichts der immer noch vorhandenen Ansteckungsgefahr
nicht nur für Schwangere mit Übergewicht oder chronischen Krankheiten,
sondern auch für gesunde Schwangere eine Immunisierung empfehlenswert
sei – vor allem, wenn sie in ihrer Umgebung besonders viele Fälle von
Schweinegrippe hätten. Zur Verringerung des Infektionsrisikos sollten unverändert auch die
persönlichen Hygienemaßnahmen - z.B. häufiges Händewaschen - beitragen,
vor allem bei vielen Kontakten zu anderen. WANC 04.12.09/ Quelle: RKI, MHH, STIKO, PEI
 
 
 
 
 
 
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