Tinnitus: Geräusche wieder verlernen

Eine neue Therapie versucht,
bei Tinnitus das Gehirn so lange zu trainieren, bis es die störenden
Geräusche im Ohr nicht mehr wahrnimmt. Das ist ein Prozess, den
das Gehirn bei vielen Umweltgeräuschen von allein vornimmt, um
nicht überfordert zu werden.


Etwa drei Millionen Deutsche
leiden unter dauerhaften Ohrgeräuschen (chronischer Tinnitus),
für die es eine neue Therapie gibt. Sie kann das störende
Klingeln, Pfeifen, Brummen oder Zischen zwar nicht abstellen, soll es
aber für den Patienten erträglicher machen, so dass er es
nach einiger Zeit kaum noch wahrnimmt.



Der Tinnitus entsteht zwar
im Innenohr, mit der Zeit hinterlassen die quälenden Geräusche
jedoch ihre Spuren im Gehirn. Nach einem Modell von Professor Pawel
Jastreboff von der Emory Universität in Atlanta/USA entwickeln
die Geräusche schließlich ein Eigenleben. Reflexartig
können sie dann durch Stresssituationen hervorgerufen werden.
Diese Ansicht wird zwar von deutschen Experten nicht vollständig
geteilt, wie Prof. Hans-Peter Zenner von der Universität
Tübingen in der „DMW Deutsche Medizinische
Wochenschrift"ausführt. Seiner Ansicht nach entsteht das
Leiden nicht auf der Reflex-, sondern auf der Wahrnehmungsebene.



Dennoch wird die von
Jastreboff entwickelte "Tinnitus-Retraining-Therapie"
inzwischen auch bei uns eingesetzt. Dabei soll der Patient die
Tinnitusgeräusche durch ähnliche Geräusche auslöschen.
Die Patienten erhalten dazu spezielle Rauschgeräte. Indem sie
sich auf die neuen Geräusche konzentrieren, tritt der Tinnitus
mit der Zeit in den Hintergrund.



Klinische Studien konnten
laut Zenner jedoch niemals zeigen, dass diese Behandlung wirklich
funktioniert. Wirksam sei sie nur dank der begleitenden Beratung, dem
"counseling" der Patienten. In mehrtägigen Sitzungen
werden die Patienten über die Ursachen des Tinnitus und die neue
Therapie ausführlich informiert. Das Begreifen ist, wie Zenner
ausführt, der Kern einer kognitiven Verhaltenstherapie.



Auch für Dr. Birgit
Mazurek von der Berliner Charité ist das "Counseling"
die wichtigste Säule der "Tinnitus-Retraining-Therapie".
Hinzu kommen in Berlin psychologische Betreuung,
Entspannungstechniken und die Geräteversorgung. "Der
Patient muss lernen, auf seine Hörsituation auf neue und andere
Weise umzugehen", sagt Frau Mazurek. Hierzu wird den Patienten
in Berlin wie auch in Tübingen eine etwa zweiwöchige
Intensivbehandlung angeboten. Dort erarbeiten die Ärzte zusammen
mit dem Patienten eine individuelle Lösung. Bei der
"Defokussierung" lernt der Patient die Geräusche nicht
mehr für wichtig zu nehmen. Wenn die Therapie erfolgreich ist,
blendet das Gehirn sie schließlich, wie viele andere
Umweltgeräusche aus, erläutert Professor Zenner.



WANC 23.03.07 Quelle: Hildegard
Kaulen: Tinnitus: schwer therapierbares Problem? Deutsche
Medizinische Wochenschrift 2007; 132 (8): S. 361-362





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/23_03_tinnitus.php
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