Musiktherapie gegen Tinnitus

Millionen Deutsche leiden an einem
chronischen Tinnitus. Das Pfeifen, Brummen oder Rauschen im Ohr
beeinträchtigt die Lebensqualität mitunter erheblich. Mit einer
neuartigen Musiktherapie lernt das Gehirn, die störenden Geräusche
auszublenden.
Hirnforscher der Universität Münster vergleichen einen Tinnitus mit dem
Phantomschmerz, den Menschen nach dem Verlust einer Gliedmaße
empfinden. Die Geräusche entstehen, weil infolge von Hörstörungen
bestimmte Tonfrequenzen „amputiert“ sind. „Auf dem subjektiven
Empfindungsniveau nimmt der Tinnituspatient einen ‚Phantomklang’ wahr.
Auf dem neuro-physiologischen Niveau unterliegt dieser
Phantomwahrnehmung ein zentraler, hauptsächlich kortikaler
Reorganisationsprozess“, erklärt Professor Dr. Christo Pantev, Direktor
des Instituts für Biomagnetismus und Biosignalanalyse der Universität
Münster. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass der Verlust der sogenannten
lateralen Inhibition hierbei eine Rolle spielt. Es handelt sich dabei
um ein Schaltprinzip im Gehirn, bei dem aktivierte Nervenzellen
benachbarte Nervenzellen hemmen. „Ist dieser Prozess gestört, kommt es
zur Überaktivität benachbarter Hirnregionen. Bei Hörstörungen wird dies
dann als Tinnitus wahrgenommen”, so Pantev. Mit einer neuartigen Musiktherapie versuchen die Forscher, die
fehlgeschalteten Nervenzellen gezielt zu beruhigen. Zunächst wählt
jeder Patient aus seiner Musiksammlung 10 bis 20 CDs mit seiner
Lieblingsmusik aus. „Am Computer passen wir die Musik dann individuell
an: Wir filtern genau die Frequenz aus der Musik heraus, die der
jeweiligen Tinnitus-Frequenz des Patienten entspricht“, erklärt Pantev.
Der auf diese Weise bearbeiteten Musik, die sich unverändert anhört,
lauschten die Teilnehmer einer Studie jeden Tag für ein bis zwei
Stunden. Zudem bildeten die Wissenschaftler zwei Kontrollgruppen. In
der ersten hörten die Patienten Musik, bei der eine zufällig
ausgewählte Frequenz unterdrückt wurde. Bei den Patienten der zweiten
Kontrollgruppe wurde die Musik gar nicht bearbeitet. Nach zwölf Monaten hatte sich die Tinnitus-Lautstärke bei den
Patienten, die die um ihre Tinnitus-Frequenz bereinigte Musik hörten,
im Durchschnitt um 25 Prozent vermindert. Die Ohrgeräusche Ohrgeräusche
wurden als weniger lästig eingestuft. Zudem schränkten sie die
Lebensqualität in geringerem Maße ein. Mit der Magnetoenzephalographie, einer Form der Bildgebung, konnte
Pantev darüber hinaus die Auswirkungen der Therapie auf die
Hirnaktivität überprüfen: „Das Ergebnis stimmte mit der Wahrnehmung der
Patienten überein: Die Hirnreaktion auf Töne mit der Tinnitus-Frequenz
fiel nun schwächer aus.“ Bei den beiden Kontrollgruppen zeigten sich
keine Veränderungen. 15.03.2011/ Quelle: Okamoto H, Stracke H, Stoll W, Pantev C.: Listening
to tailor-made notched music reduces tinnitus loudness and
tinnitus-related auditory cortex activity. Proc Natl Acad Sci U S A.
2010 Jan 19;107(3):1207-10





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/15_03_tinnitus.php
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