Lungenentzündung
Antibiotika-Behandlung bei Lungenentzündung: Nicht angemessene Therapie (Foto: Bundesverband der Pneumologen)
> Lungenentzündung: Ungleiche Behandlung

Wo man in Deutschland gegen Lungenentzündung behandelt wird, macht einen großen Unterschied. Der Einsatz von Antibiotika in der Therapie wird überraschenderweise völlig verschieden gehandhabt. Mit Folgen für die Patienten: Denn ca. 30% der Todesfälle bei Lungenentzündung sind auf eine falsche Antibiotikatherapie zurück zu führen.


In der antibiotischen Behandlung von Lungenentzündungen, die außerhalb des Krankenhauses erworben wurden, bestehen große regionale Unterschiede: Wer in Berlin an einer solchen ambulant erworbenen Lungenentzündung (Pneumonie) erkrankt, erhält eine andere Therapie als beispielsweise ein Patient in Lübeck. Denn welche Antibiotika zwischen Garmisch und Flensburg verabreicht werden, ist von Region zu Region verschieden - besonders bei Patienten im Krankenhaus.


Die Ergebnisse aus Lübeck offenbaren darüber hinaus, dass die antibiotische Behandlung keineswegs immer den Empfehlungen der in Deutschland gültigen Therapieleitlinien folgt. Als problematisch erweist sich vor allem der Einsatz von Antibiotika, die gegen viele verschiedene Keime wirksam sind, sogenannte Breitband-Antibiotika. Sie werden oft zu früh verabreicht - was jedoch das Risiko der Resistenzentwicklung gegen diese Medikamente erhöht.


Aktuellen Schätzungen zufolge gehen bei ambulant erworbenen Pneumonien 30 Prozent aller Todesfälle auf eine nicht angemessene antibiotische Therapie zurück. Bedeutsam ist dabei vor allem der Einsatz von Wirkstoffen mit Breitbandspektrum. "Derart potente Antibiotika sollten nicht als erste Wahl eingesetzt, sondern zurückgehalten werden, um sich keine Chancen zu verbauen", rät Professor Torsten Schäfer vom Institut für Sozialmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein.


Zudem besteht aufgrund des breiten Wirkspektrums die Gefahr, Resistenzen zu züchten. Bereits jetzt sind 40 Prozent aller Pneumokokken resistent gegen Antibiotika. Problematisch ist zudem, dass in über der Hälfte der Fälle die ursächlichen Keime unentdeckt bleiben: Deren Identifikation ist nur in 30 bis 50 Prozent der Fälle zutreffend. Angesichts dieser Risiken ist es umso wichtiger, dass die Therapie von ambulant erworbenen Pneumonien den Leitlinien folgt. Doch die Ausrichtung an den offiziellen Behandlungsempfehlungen ist laut Schäfer sehr gering.


Die Gründe für die regionalen Unterschiede in der antibiotischen Behandlung sind laut Schäfer nicht nur auf soziodemographische oder klinische Faktoren zurückzuführen. Die Ursachen sind auch in örtlich unterschiedlichen Behandlungsempfehlungen und individuellen Erfahrungen der behandelnden Ärzte zu suchen. Auch die regionalen Marketing-Praktiken der pharmazeutischen Industrie könnten einen Einfluss haben.


Die außerhalb eines Krankenhausaufenthalts, also ambulant erworbene Pneumonie (Community Acquired Pneumonia, kurz CAP) ist die häufigste, potenziell lebensbedrohliche Infektionskrankheit in den westlichen Industrienationen. Bei 20 Prozent aller Infektionen handelt es sich um CAP. Zur Häufigkeit in Deutschland liegen bislang keine exakten Daten vor; sie dürften ähnlich sein wie in den USA: zwischen sechs und acht pro 1.000 Patienten und Jahr. Die höchsten Raten werden in den Wintermonaten erreicht. In den meisten Fällen erfordert eine ambulant erworbene Pneumonie eine antibiotische Therapie. Auf die Behandlung der CAP entfällt daher ein großer Anteil der Antibiotika, die bundesweit verabreicht werden.


Die große Variabilität in der Versorgung zeigte sich in einer Untersuchung des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetzes Ambulant Erworbene Pneumonie (CAPNETZ), die vom Institut für Sozialmedizin der Universität Lübeck durchgeführt wurde. An der Studie beteiligten sich neun klinische Zentren in Berlin, Bochum, Köln-Bonn, Lübeck, Lüdenscheid, Magdeburg, Rothenburg, Ulm und Würzburg. Geprüft wurden die Daten von insgesamt 3.221 Patienten im Alter von 18 bis 102 Jahren (das Durchschnittsalter lag bei 63,9 Jahren). Um die Fälle der einzelnen Zentren vergleichen zu können, wurden sie nach einheitlichen diagnostischen Kriterien ausgewählt. Die Behandlungsunterschiede wurden unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Erkrankungsschwere, chronischen Grunderkrankungen, Rauchen, ambulanter oder stationärer Behandlung sowie Aufenthalt in einem Pflegeheim ausgewertet. Dabei ergaben sich zwischen den neun Zentren markante Behandlungsunterschiede. Besonders ausgeprägt waren diese bei Krankenhauspatienten.


WANC 24.04.07

 
 
 
 
 
 
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