Wenn Medikamente die Lunge schädigen

Wie heißt es doch so lapidar: Keine
Wirkung ohne Nebenwirkung. Wer also Medikamente gegen ein Leiden
einnimmt, muss gewahr sein, dass er dadurch unter Umständen einen
anderen Schaden irgendwo in seinem Körper anrichtet. So können
beispielsweise bestimmte Medikamente Schaden in der Lunge anrichten.
Das Problem: Oft wissen weder Ärzte noch Patienten davon.
Etwa 350 Medikamente können die Lunge schädigen, weiß Dr. Julia Freise
von der Medizinischen Hochschule Hannover. Da die meisten zur
Behandlung von Erkrankungen anderer Organe eingesetzt werden und die
Beschwerden unspezifisch sind, werde ein Zusammenhang oft nicht erkannt. Freise nennt Beispiele: Ein 72-jähriger Mann hatte seit einem Jahr ein
Antibiotikum zur Vorbeugung von Harnwegsinfekten eingenommen, als sich
Husten und Atembeschwerden einstellten. Ein 64 Jahre alter Mann hatte
seit acht Jahren ein Mittel gegen Herzrhythmusstörungen erhalten, als
er wegen akuter Luftnot in die Klinik eingewiesen wurde. Was beide Patienten und anscheinend die behandelnden Ärzte nicht
wussten: Das Antibiotikum mit dem Wirkstoff Nitrofurantoin und das
Mittel gegen Herzrhythmusstörungen mit dem Wirkstoff Amiodaron sind
eigentlich bekannt dafür, dass sie die Lunge schädigen können. Es kommt
zu einer Entzündung oder Vermehrung des Bindegewebes, die als
interstitielle Lungenerkrankung bezeichnet wird. Lungenschäden durch Nitrofurantoin wurden in den 60er Jahren häufiger
beobachtet, berichtet Freise. Nach einem Tiefpunkt in den 80er-Jahren
sehen Lungenfachärzte solche Fälle wieder öfter. Das Antibiotikum
werde, so Freise, vermehrt bei Infektionen mit Problemkeimen
eingesetzt. Lungenschäden durch Amiodaron sind eigentlich ebenfalls
bekannt: Bis zu 13 Prozent der Patienten entwickeln unter der Therapie
eine interstitielle Lungenerkrankung, berichtet die Expertin. Werde sie
nicht rechtzeitig erkannt, ende sie bei zehn bis 23 Prozent der
Patienten tödlich. Die Diagnose falle vielen Ärzten schwer, weil sich die Beschwerden
nicht von denen anderer Lungenerkrankungen unterscheiden. Patienten
klagen zumeist über Atemnot bei Anstrengungen und Husten mit oder ohne
Auswurf, so die Medizinerin. Das könne auf sehr viele Lungenkrankheiten
hinweisen. Ärzte sollten lungenkranke Patienten stets nach der Einnahme von
Medikamenten fragen, rät Dr. Freise. Eine detaillierte Auflistung der
bedenklichen Mittel ist im Internet unter www.pneumotox.com
veröffentlicht. Bei einem begründeten Verdacht sollten Ärzte die Mittel
bei ihren Patienten absetzen. Dies führe häufig zur Besserung. Die beiden obengenannten Patienten aus Hannover erhielten zusätzlich
Kortison, das die Entzündung hemmt. Sie erholten sich rasch. Bei dem
64-jährigen Mann ergab später eine kardiologische Untersuchung, dass er
gar – Überraschung, Überraschung - kein Medikament gegen
Herzrhythmusstörungen mehr benötigte. WANC 23.03.10, Quelle: J. Freise et al.: Arzneimittelbedingte
interstitielle Lungenerkrankungen. DMW Deutsche Medizinische
Wochenschrift 2010; 135 (10): S. 450-454





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/23_03_lunge.php
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