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Tuberkulose: Erreger kann neben der Lunge viele andere Organe befallen, oft mit unklaren Beschwerden
> Tuberkulose: Viele Erkrankungen bleiben unerkannt
Die offiziellen
Statistiken über Tuberkulose sind nach Ansicht von Ärzten zweifelhaft. Denn in
etwa einem Drittel aller Fälle wurde die Tuberkulose erst bei der Obduktion
festgestellt. Und von den besonders gefährlichen "aktiven"
Tuberkuloseerkrankungen werden fast die Hälfte (45 Prozent) übersehen.


Nach den offiziellen Statistiken sterben in Deutschland
jedes Jahr etwa 500 Menschen an einer Tuberkulose. Die tatsächliche Zahl könnte
um einiges höher sein, denn viele, auch schwere Erkrankungen, werden nicht
erkannt. Pathologen fordern deshalb in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche
Medizinische Wochenschrift", dass bei Todesfällen in Kliniken vermehrt
Leichenöffnungen (Obduktionen) vorgenommen werden.



Die Diagnose einer Tuberkulose ist nicht einfach. Ein
positiver Hauttest (Tuberkulintest) zeigt nur an, dass ein Mensch Kontakt mit
dem Erreger, Mycobacterium tuberculosis, hatte, nicht aber, ob eine aktive
Tuberkulose vorliegt. Die Erkrankung selbst kann neben der Lunge viele andere
Organe befallen, oft mit unklaren Beschwerden.



Pathologen wie Dr. Dirk Theegarten von der Universität Essen
wundert es deshalb nicht, wenn Ärzte die Erkrankung gelegentlich nicht
erkennen. Manchmal kommt es sogar zu fatalen Fehlentscheidungen, wenn etwa eine
Lungentuberkulose mit einer Sarkoidose (Bindegewebserkrankung mit
Tuberkulose-ähnlichen Veränderungen in der Lunge) verwechselt und mit Kortison
behandelt wird. Dann werden die Erreger aus den so genannten Tuberkeln
freisetzt, in denen der Körper sie mühevoll isoliert hatte.



Theegarten hat alle Obduktionsberichte mit Enddiagnose
Tuberkulose seiner Klinik aus den letzten 25 Jahren analysiert: In etwa einem
Drittel aller Fälle wurde die Tuberkulose erst bei der Obduktion festgestellt. Die
Zahl der Fehldiagnosen sei in den letzten Jahren sogar noch angestiegen, stellt
der Pathologe fest.



Von den besonders gefährlichen "aktiven"
Tuberkuloseerkrankungen werde fast die Hälfte (45 Prozent) übersehen. Da
außerdem der Anteil der aktiven Erkrankungen an den Todesfällen stark
zugenommen hat, hält Theegarten die offiziellen Statistiken für
"zweifelhaft".



Es gibt auch Fälle, in denen die Diagnose der Ärzte bei der
Obduktion nicht bestätigt wird. Wegen der häufigen Fehldiagnosen und wegen des
hohen Ansteckungsrisikos übersehener aktiver Erkrankungen wünschen sich
Theegarten und seine Kollegen, dass mehr Patienten, die in der Klinik sterben,
obduziert werden.



Allerdings sind hierbei Hygienemaßnahmen besonders wichtig,
und in der Pathologie tätige Personen sollten nach Tuberkulose-Sektionen genau
überwacht werden: In Essen erkrankten zwei von 28 Mitarbeitern nach der
Teilnahme an einer Obduktion an einer aktiven Tuberkulose. Beide waren übrigens
Raucher. Tabakrauchen zählt laut Theegarten neben einem hohen Alkoholkonsum zu
den Faktoren, die das Ansteckungsrisiko deutlich erhöhen.



WANC 18.07.06 Quelle: D. Theegarten et al.: Häufigkeit und
Morphologie der Tuberkulose bei Obduktionen: Zunahme der aktiven Formen; DMW -
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2006; 131 (24): S. 1371-1376

 
 
 
 
 
 
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