Infektion der Atemwege: Gefahr nicht unterschätzen (Foto: pte)
> Atemwegsviren: Neue agressive Krankheitserreger
Atemwegsinfekte gehören zu den häufigsten Erkrankungen bei Kleinkindern oder immungeschwächten Patienten. Da bleibt es oft nicht bei einem harmlosen Husten, sondern die Viren können auf die Lunge übergreifen - mitunter mit lebensbedrohlichen Folgen. Mehrere neue Viren haben sich als gefährlich Krankheitserreger herausgestellt.

Wer Atemwegsinfekte als harmlose Erkältung abtut, unterschätzt die Gefahr, die von den Erregern ausgehen kann: Vor allem bei Kleinkindern, deren Immunsystem noch nicht so "fit" ist wie bei Erwachsenen, können Atemwegsinfekte wie z.B. die vom Influenzavirus ausgelöste Grippe einen dramatischen Verlauf nehmen; "das geht bis zum Lungenversagen", erklärt Dr. Arne Simon vom Bonner Zentrum für Kinderheilkunde.

Besonders gefährdet sind Frühgeborene, AIDS-Kranke oder Krebspatienten, deren Immunsystem durch eine Chemotherapie geschwächt ist, aber auch ältere Patienten. "An Unikliniken, die ja vor allem Schwerkranke behandeln, gehören bis zu 40 Prozent aller Patienten zu einer der Risikogruppen", betont der Mediziner. Auch das HMP-Virus scheint nach einer Bonner Studie aggressiver als zunächst erwartet: "Schwere Verläufe sind vielleicht sogar häufiger als bei einem weiteren wichtigen Erreger von Atemwegserkrankungen, dem so genannten RS-Virus", warnt der Bonner Virologe Dr. Oliver Schildgen.


Vor vier Jahren entdeckte ein Mediziner-Team aus Holland ein bis dahin unbekanntes Virus, das die Atemwege infizieren kann. Nach aktuellen Schätzungen ist das "Humane Metapneumovirus" (HMPV) für jeden fünften Atemwegsinfekt bei Säuglingen und Kleinkindern verantwortlich. Wirklich "neu" ist der Erreger aber nicht: Inzwischen wurde er bereits in 50 Jahre alten Patientenproben nachgewiesen. "Das Problem bei unbekannten Viren ist, dass man häufig einfach nicht weiß, wonach man suchen muss", erklärt Schildgen. "Man findet nur, was man schon kennt."

Bei nahezu jedem zweiten Patienten mit einem Atemwegsinfekt fahndeten die Mediziner daher bislang vergeblich nach dem Erreger. Das HMPV schließt diese Lücke nur zum Teil: In mindestens 20 Prozent aller Fälle ist die Krankheitsursache nach wie vor unklar. Das erschwert einerseits die Therapie: "Wenn der Arzt den Erreger nicht kennt, versucht er es zunächst häufig mit einem Antibiotikum", weiß Simon. "Gegen Viren helfen Antibiotika nicht. Der unbedachte Einsatz kann jedoch dazu führen, dass gefährliche Bakterien resistent werden."

In Krankenhäusern birgt die Wissenslücke noch eine zusätzliche Gefahr: "Normalerweise werden stationäre Patienten mit gefährlichen Infektionskrankheiten isoliert, damit sie nicht andere Kranke anstecken", erläutert Simon. "Wenn man nun einfach alle Patienten mit Atemwegs-Erkrankungen ohne Erregernachweis zusammenlegt, können sie sich gegenseitig infizieren."

Ein Antikörpertest, den die Bonner und Essener Virologen entwickeln wollen, soll Aufschluss über den jeweiligen Erreger geben. "Wir wollen so herausfinden, wie häufig Infektionen mit dem HMPV wirklich sind und wie gefährlich sie verlaufen", sagt Schildgen. "Ein Fernziel ist natürlich auch die Entwicklung schlagkräftiger Medikamente."


Inzwischen haben die Bonner einen weiteren HMPV-Subtyp gefunden, den sie ebenfalls genauer untersuchen wollen. Ihr besonderes Augenmerk gilt aber einem Virus, das erst im April 2004 ebenfalls in den Niederlanden entdeckt wurde. Wie viele Krankheitsfälle jährlich auf sein Konto gehen, ist noch unbekannt; auch spricht nichts für eine extreme Aggressivität. Die Forscher ließ jedoch aufhorchen, dass der neue Erreger zu den so genannten Coronaviren gehört - die SARS-Epidemie wurde ebenfalls von einem Coronavirus ausgelöst.

 

WANC 04.08.05
 
 
 
 
 
 
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