> Auch ein sehr niedriger Blutdruck hat seine Tücken

Sie haben einen sehr niedrigen Blutdruck? Wunderbar. Oder vielleicht doch nicht? Herzspezialisten betonen jetzt, dass ein möglichst niedriger Blutdruckwert bei Patienten mit hohem Herz-Kreislauf-Risiko nicht unbedingt das optimale Behandlungsziel sein kann. Denn wenn der Blutdruck unter einen bestimmten Wert sinke, steige das Herz-Kreislauf-Risiko wieder an. 


Behandlungs-Leitlinien empfehlen Ärzten, einen systolischer Blutdruckzielwert von unter 140 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) bei ihren Patienten mit Bluthochdruck anzustreben. In den USA wurde kürzlich eine Studie veröffentlicht, die das Behandlungsziel offensiver formuliert. Demnach beginne ein optimaler systolischer Blutdruck mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits bei unter 120 mmHg. Das gelte insbesondere für Patienten oberhalb eines Lebensalters von 60 Jahren. Bei den derart intensiv behandelten Patienten traten Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzversagen und Tod seltener auf. Unumstritten ist diese Studie nicht.


Kritiker bekommen nun neue Daten, die ihre Vorbehalte unterstreichen. Prof. Michael Böhm (Homburg/Saar) meint, dass das Prinzip „je niedriger desto besser“, beim Blutdruck keine Gültigkeit zu haben scheint. Böhm hat die Ergebnisse von zwei großen Studien (Ontarget und Transcend) mit insgesamt fast 30.940 Hochrisiko-Patienten analysiert. In den Studien wurde die Wirksamkeit eines Blutdrucksenkers allein sowie in Kombinationen untersucht. Patienten, die während des mittleren Beobachtungs-Zeitraums von 53 Monaten systolische Blutdruckwrte unter 120 mmHg erreichten, hatten ein um 14% höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse als jene, deren Blutdruck zwischen 120 und 140 mmHg lag, mit der Ausnahme von Herzinfarkt und Schlaganfall. Die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit stieg um 29% und die Gesamtsterblichkeit um 28%. 


Ähnlich zeigte sich die Situation beim diastolischen Blutdruck. Werte unter 70 mmHg bedeuteten ein um 31% erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse - verglichen mit Werten zwischen 70 und 80 mmHg. Auch das Risiko für Herzinfarkt und durch Herzschwäche bedingte Klinikeinweisungen war erhöht. Schlaganfälle kamen allerdings seltener vor, wenn die Werte darunter fielen. Das niedrigste Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse hatten Patienten, die unter der Blutdruck-Therapie einen systolischen Blutdruck zwischen 120 und 140 mmHg und einen diastolischen Blutdruck um die 75 mmHg erreichten. 


Böhm ist daher der Ansicht, dass bei manchen Patienten, deren Blutdruck während der Therapie auf zu niedrigere Werte sinkt, es sinnvoll sein könnte, die Medikation zu reduzieren, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Für die meisten Hochrisiko-Patienten sei ein Blutdruckzielwert von unter 130 mmHg, nicht jedoch ein Wert unter 120 mmHg sicher und wirksam.


cs 26.4.2017/ Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie

 
 
 
 
 
 
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