Straßenverkehr und der damit zusammenhängende Lärm und die Verschmutzung der Luft macht Menschen krank  (Foto: Rolf Handke / pixelio.de)
Straßenverkehr und der damit zusammenhängende Lärm und die Verschmutzung der Luft macht Menschen krank (Foto: Rolf Handke / pixelio.de)
> Verkehrs- und Fluglärm: Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Die gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm werden oft unterschätzt und gerne verschwiegen. Obwohl es an glaubhaften wissenschaftlichen Studien immer noch mangelt, stellen Wissenschaftler des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz fest, dass Verkehrslärm ein neuer bedeutender Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Andere Wissenschaftler treffen diese Einschätzung spezifisch für Fluglärm.

Die Mainzer Kardiologen haben repräsentative Studien aus den Jahren 2007 bis 2018 zum Thema „Lärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ ausgewertet. Das Ergebnis ist laut Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor der Kardiologie I im Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz klar: „Lärm ist ein bedeutsamer Risikofaktor für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und führt in der Folge zu erhöhter Sterblichkeit.“

Tatsächlich kann Lärm durch Flug-, Schienen- und Straßenverkehr chronische Stress- bzw. Lärmbelästigungsreaktionen hervorrufen, die zu einer Reihe pathophysiologischer Konsequenzen führen und infolgedessen das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt und Schlaganfall begünstigen. Neuere Studien lassen Schätzungen zu, demzufolge Verkehrslärm alleine in Europa für jährlich für 18.000 vorzeitige Todesfälle, 1,7 Millionen Fälle von Bluthochdruck und 80.000 Krankenhauseinweisungen verantwortlich ist.

Die Studien der Universitätsmedizin Mainz zur Lärmwirkungsforschung belegen ebenfalls, dass die durch Flug- und Schienenverkehr hervorgerufene Lärmbelästigung dosisabhängig zu einem erhöhten Risiko für Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern bzw. auch zu psychischen Erkrankungen wie Depression und Angststörungen führen kann. Insbesondere Nachtfluglärm ruft neben Gefäßschäden auch ausgeprägte Veränderungen im Gehirn hervor, die die beobachteten Verzögerungen in der Entwicklung von Hirnleistungen wie Lernen und Gedächtnis erklären könnten.

Mediziner der Universitäten von Dresden, Jena und Bremen haben gesondert untersucht, inwieweit Fluglärm die Gefahr für einen Schlaganfall erhöht. Dazu haben sie Daten aus insgesamt neun Studien neu ausgewertet und bewertet. Das Ergebnis macht deutlich, dass pro 10 Dezibel mehr Lärm das Risiko für einen Schlaganfall um zwischen 1,3 % und 9,2% zunimmt. Die große Bandbreite läßt sich durch die qualitativen Unterschiede der Studien erklären. Aus einer Studie ließ sich das Schlaganfallrisiko bei nächtlichem Fluglärm ablesen: bei Maximalpegeln über 50 dB und durchschnittlichen Lärmbelastung unterhalb von 40 dB nachts war das Risiko für einen Schlaganfall um 7% höher. 

Diese Werte können Schweizer Umweltmediziner bestätigen. Die dort durchgeführte Studie belegt, dass Verkehrslärm, je nach Quelle, das Risiko für einen Herzinfarkt um 2,0 bis 3,4% pro 10 Dezibel Erhöhung des durchschnittlichen Schalldruckpegels zu Hause ansteigen lässt. Die Studie ergab auch, dass Menschen, die sowohl Luftverschmutzung als auch Lärm ausgesetzt sind, das höchste Risiko für einen Herzinfarkt haben. Das bedeute, dass sich die Auswirkungen von Luftverschmutzung und Lärm addieren, meint Dr. Martin Röösli, Professor für Umweltepidemiologie, Leiter der Einheit Umwelt und Gesundheit, Departement Epidemiology and Public Health, Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut.

Wissenschaftler fordern nun präventive Maßnahmen, um die Bevölkerung vor den negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Lärms zu schützen. Zumindest die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Gefahren offensichtlich bereits erkannt. Laut deren 2018 erschienen Richtlinien (Environmental Noise Guidelines for the European Region) soll z.B. der Lärm von Windenergieanlagen durchschnittlich 45 Dezibel tagsüber nicht überschreiten. Zum Vergleich: Genehmigungspflichtige Anlagen in allgemeinen Wohngebieten dürfen laut deutschem Umweltbundesamt derzeit Lärm von 55 Dezibel tagsüber und 40 Dezibel nachts machen. Für die durchschnittliche Lärmbelastung durch Straßenverkehr empfiehlt die WHO tagsüber nicht mehr als 53 Dezibel, für Schienenverkehr nicht mehr als 54 Dezibel und für Flugverkehr nicht mehr als 45 Dezibel. Die nächtlichen Richtwerte liegen einige Dezibel niedriger.

12.4.2019 cs / Quelle: Dtsch Arztebl, European Heart Journal

 
 
 
 
 
 
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