Bluthochdruck: Zu starkes Senken ist nicht immer gesund

Die Frage beschäftigt viele Ärzte: Wo liegt der optimale Blutdruck, wie intensiv muss man einen hohen Blutdruck senken? In den USA wird inzwischen diese Antwort gegeben: Eher auf 120 als auf 140. Doch ob das das richtige Ziel ist, bleibt weiterhin umstritten. Bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK) und Bluthochdruck ist das starke Senken jedenfalls eher kontraproduktiv.


Hinter der Erkenntnis, den Blutdruck auf 120 mmHg (systolischer Blutdruck) zu senken, steht eine Studie, in der intensivst behandelte Patienten mit Bluthochdruck um ein Drittel weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle erlitten. Bei diesen Patienten lag auch die Zahl der Todesfälle um 25% unter denen von Patienten, bei denen der Bluthochdruck nicht so stark vermindert worden war. 


Doch das war nur der erste Blick. Auf den zweiten stellte sich heraus, dass die so "agressiv" behandelte Gruppe viel häufiger Nierenversagen, bedrohlich langsamen Herzschlag und einen gefährlich unausgewogenen Elektrolythaushalt beklagten. Und: Um die starke Blutdrucksenkung zu erreichen, mussten im Durchschnitt fast drei unterschiedliche blutdrucksenkende Medikamente eingenommen werden.


Auch die Deutsche Herzstiftung ist der Meinung, dass der optimale Blutdruck bei 120/80 mmHg liegt. Doch sie differenziert: Bei Patienten oberhalb des 80. Lebensjahrs werden unter 150 mmHg angepeilt, bei unter 80-Jährigen ist das Ziel unter 140/90 mmHg und bei Patienten mit Herzkranzgefäßerkrankungen liegt es nahe bei 140/80 mmHg. 


Inzwischen meinen viele Kardiologen, dass das extreme Vermindern des Blutdruckes nicht unbedingt für jeden Vorteile bringt. Bei 12000 Hypertoniepatienten sollte der diastolische Blutdruck auf unter 60 mmHg gesenkt werden. Innerhalb der Beobachtungszeit von 21 Jahren stellte sich heraus, dass die drastische Absenkung des diastolischen Blutdrucks zu einer Erhöhung des Risikos für eine KHK um 49% und für Moratlität um 32% führte.


Eine jetzt vorgelegte Studie unterstreicht, dass sich bei Patienten mit einer bestehenden KHK eine zu starke Blutdrucksenkung eher negativ auswirkt. 22672 KHK-Patienten aus 45 Ländern wurden gegen Bluthochdruck behandelt und über einen Zeitraum von fünf Jahren kontrolliert. Bei denjenigen, deren Blutdruck bei 140/80 mmHg oder darüber rangierte, nahm das Risiko für kardiovaskuläre Vorfälle (Erkrankungen von Herz und Gefäßen) zu. 


Lag der systolische Blutdruck bei der Therapie unter 120 mmHg, dann nahm die Gefahr für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall um 56% zu. Wurde der diastolische Blutdruck auf 60-69 mmHg gedrückt, stieg das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall um 56%, bei einem diastolischen Blutdruck von unter 60 mmHg sogar um fast das Doppelte.


Mediziner schließen daraus, dass zumindest bei KHK-Patienten eine rigorose Blutdrucksenkung nicht ganz gefahrlos ist und die Behandlung mit Vorsicht durchgeführt werden sollte.


03.11.2016/ Quelle: Lancet





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/herz_kreislauf/khk-bluthochdruck-03-11-16.php
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