Nach einem Herzinfarkt sterben noch im Krankenhaus mehr Frauen als Männer (Foto: DAK/Wigger)
Nach einem Herzinfarkt sterben noch im Krankenhaus mehr Frauen als Männer (Foto: DAK/Wigger)
> Frauen überleben einen Herzinfarkt seltener als Männer. Warum eigentlich?

Frauen werden in Diagnostik und Therapie von Krankheiten oft benachteiligt. Das scheint auch bei der Behandlung eines schweren Herzinfarktes nicht anders zu sein, obwohl die Sterblichkeit nach Herzinfarkten insgesamt zurück geht. Bei Frauen allerdings deutlich langsamer als bei Männern. So enden Infarkte bei Männern zu 20% tödlich, bei Frauen aber in rund 28% der Fälle. Eine neue Studie zeigt: In der Erstversorgung schneiden Frauen gleich gut ab – danach erleiden sie aber öfter schwere und tödliche Komplikationen. Gründe für diese Unterschiede bleibt die Studie schuldig. Vielleicht, weil nicht an der richtigen Stelle gesucht wurde?


Zuerst einmal die Fakten: Wer heute einen Herzinfarkt erleidet, hat deutlich größere Überlebenschancen als noch vor 25 Jahren. Die Zahl derjenigen, die nach einem Herzinfarkt sterben hat sich zwischen 1990 und 2014 fast halbiert (1990: 107,4 Patienten, 2014: 59,3 Patienten - jeweils pro 100.000 Einwohner). Die Weltgesundheitsorganisation WHO demonstriert die Geschlechtsunterschiede: Bei Männern ist die Sterblichkeit nach einer Koronaren Herzerkrankung (KHK) in den letzten 25 Jahren um durchschnittlich 49% gesunken, bei Frauen aber nur um 39%.


Warum das so ist? Ärzte finden einige Erklärungsversuche: So sollen Frauen bei invasiven Eingriffen mehr Komplikationen erleiden oder  weibliche Infarkt-Patienten werden „aufgrund unspezifischerer Symptome weniger oft mit dem gesamten Arsenal der kardiologischen Möglichkeiten behandelt“. Was nichts anderes bedeutet, dass Ärzte Frauen anders behandeln als Männer, weil Frauen weniger oft einen Herzkatheter, eine Ballondilatation, eine Bypass-Operation oder eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie bekommen. 


Dr. Tobias Heer von der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin am Klinikum München Schwabing hat nun 32.986 Datensätze von Patienten aus dem Koronarangiographie- und PCI-Registers der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DKG) gefiltert. Ausgewählt wurden Patienten, bei denen die Gefäße nach einem schweren Herzinfarkt (ST-Hebungsinfarkt, STEMI) in einer perkutanen koronaren Interventionen (PCI) mit einem Ballon aufgedehnt wurden. Die ausgewerteten Datensätze stammten zu 27,8% von Frauen, die im Durchschnitt sieben Jahre älter waren als die männlichen Patienten, dafür aber seltener bereits eine PCI oder Bypass-Operation hinter sich hatten. Verglichen wurde der primäre Behandlungserfolg, der weitere Verlauf sowie die Sterberate im Krankenhaus bei weiblichen und männlichen Herzinfarkt-Patienten. 


Im Behandlungsverlauf fanden Heer und seine Mitstreiter keine bedeutsamen Unterschiede: Bei Frauen wie Männern musste etwa gleich oft ein kompletter Gefäßverschluss, eine Verengungen des linken Hauptstamms oder gleich mehrere Gefäße aufgedehnt werden. Ebenso erhielten beide Geschlechter etwa gleich oft einen Stent zur Stützung der Blutgefäße eingesetzt. Frauen mussten häufiger als Männer im Herzkatheterlabor reanimiert werden. Bei Männern dagegen wurden die Stents öfter in bereits bestehende Bypässe implantiert. Ein Eingriff war bei beiden Geschlechtern gleich oft erfolgreich: Bei 93,5% der Frauen und 94,7% der Männer wurde der Gefäßverschluss im vorgesehenen Ausmaß verkleinert und die Durchblutung der Herzkranzgefäße ausreichend wiederhergestellt. 


Die gravierenden Unterschiede zeigten sich erst später: Bei Frauen traten mehr als doppelt so oft Komplikationen am Gefäßzugang auf. Und während 3,9% der Männer im weiteren Verlauf einen – nicht tödlichen - Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine dem Schlaganfall ähnliche ischämische Attacke (plötzliche Minderdurchblutung des Gehirns) erlitten, waren 6,8% der weiblichen Patienten von solch schwerwiegenden Komplikationen betroffen. 6,3% der Frauen verstarben noch während des Krankenhausaufenthaltes, bei den Männern waren es dagegen 3,6%. 


Mit der Erklärung dieser Ergebnisse tun sich die Ärzte schwer. Das höhere Durchschnittsalter der Frauen könne nicht der Grund dafür sein, weil sowohl die Sterblichkeit wie auch die Rate an schweren Komplikationen bei Frauen jeweils 20% über jenen der Männer lag - wenn man das Alter heraus rechnete. Heer gibt zu, dass er in der Analyse der einzelnen Patientengruppen keine Erklärung finden konnte: „Die Gründe für diese Geschlechtsunterschiede müssen weiter untersucht werden“.


Die Deutsche Herzstiftung hat sich schon früher an eine Begründung heran gewagt. Sie konstatiert z.B. dass sich die Symptome eines Herzinfarktes bei Frau und Mann unterscheiden. Bei Frauen würden häufiger sogenannte unspezifische Symptome auftreten - das sind Symptome, die man nicht sofort mit einem Herzinfarkt in Verbindung bringt: z. B. starke Kurzatmigkeit, Übelkeit, Erbrechen oder Beschwerden im Oberbauch. Welche Konsequenz das hat? Ärzte spüren einen Herzinfarkt bei Frauen später auf, dadurch werden sie später behandelt.


Für die Behandlung von Herzerkrankungen hat man in Studien die Folgen der ungleichen Behandlung erforscht. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind bei 55% der Frauen die Todesursache, bei Männern dagegen nur bei 43%. Patientinnen werden von Kardiologen weniger konsequent behandelt. Dazu gibt es Erfahrungen und Daten aus der Intensivmedizin. Frauen mit akutem Herzinfarkt werden im Vergleich zu Männern initial seltener interventionell (rekanalisierend: medikamentöse Thrombolyse mit rtPA - „recombinant tissue plasminogen activator“, zu deutsch: gewebespezifischer Plasminogenaktivator, Handelsname Actilyse) behandelt.


Die European Society of Cardiology (ESC) hat Zahlen veröffentlicht, die besagen, dass nach der Entlassung aus dem Krankenhaus 79,2% der Männer, aber nur 75,8% der Frauen Betablocker verordnet bekommen. Lipidsenker wurden 65,4% der Männer aber nur 56,4% der Frauen verordnet und ACE-Hemmern erhielten 60% der Männer und. 55,5% der Frauen. Hinzu kommt, dass Medikamente bei Frauen und Männern oft ganz unterschiedlich wirken, anders verarbeitet werden und sich Dosierungen unterscheiden müssen. Doch dazu fehlt es noch an entsprechenden Untersuchungen, die vollständige Klarheit verschaffen. 


cs 21.4.2017/ Quelle: 83. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie

 
 
 
 
 
 
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