Joghurt
Probiotika in Lebensmitteln: Nutzen nur bei wenigen Durchfallerkrankungen belegt
> Probiotika: Mehr Schein als Sein?
Probiotika sollen Gesundheitsbringer
und Fitmacher sein. Doch tatsächlich ist deren medizinische
Wirkung äußerst beschränkt. Im Gegenteil: Manchmal
können sie durchaus gefährlich werden.


Zuerst kamen sie als spezielle
Joghurtsorte auf den Markt, heute sind sie in vielen Milchprodukten,
Schokoriegeln oder Fruchtsäften enthalten. Ja, es gibt sogar
Käse und Wurst mit Probiotika. Die Werbung preist sie als
Gesundmacher und als Stärkungsmittel für die Abwehrkräfte.
Aus medizinischer Sicht ist eine positive Wirkung bisher jedoch nur
bei wenigen Erkrankungen belegt, schränkt Professor Johannes
Huebner, Infektiologe an der Universität Freiburg ein. Und es
gebe Risiken und Nebenwirkungen.



Probiotika sind das Gegenstück zu
Antibiotika, erläutert Huebner in der DMW Deutsche Medizinische
Wochenschrift: Antibiotika heilen Krankheiten, indem sie Bakterien
vernichten. Probiotika sind harmlose Bakterien, die im Darm
schädliche Krankheitserreger verdrängen sollen. Dass sie
das Allgemeinbefinden verbessern, wie die Werbung behauptet, sei
weder bewiesen noch widerlegt, meint Huebner. Nur eine Studie konnte
zeigen, dass die Zahl der Arztbesuche sinkt – allerdings nur für
ein bestimmtes Präparat. Die angebotenen Probiotika sind jedoch
unterschiedliche Mischungen von Bakterien.



Medizinische Anwendungen gebe es bisher
wenige. Eine davon ist der durch Antibiotika bedingte Durchfall.
Probiotika ersetzen die durch die Antibiotika vernichteten Bakterien
und bringen die Darmflora ins Gleichgewicht. Durchfallerreger werden
verdrängt. Auch bei Durchfallerkrankungen aus anderen Ursachen
seien Probiotika eine wirksame Therapie, vor allem bei Kindern,
erklärt Huebner. Er vergibt hier die Note "A". In
Leitlinien steht sie für eine gute Evidenz, will heißen:
Die Wirkung ist durch Studien ausreichend belegt. Dies ist sie sonst
nur noch bei der Pouchitis. Das ist eine Entzündung in einem
künstlich geschaffenen Enddarm bei Menschen, denen wegen einer
schweren entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) der
Dickdarm entfernt wurde.



Für andere medizinischen
Anwendungen gibt es laut Huebner keine überzeugenden Belege. Das
gelte auch für die verbreitete Ansicht, Probiotika könnten
einer Allergie vorbeugen oder sie sogar heilen. Die hierzu
durchgeführten Studien weisen erhebliche Mängel auf oder
konnten durch neuere Untersuchungen nicht bestätigt werden.



Als Medikamente haben Probiotika auch
Risiken und Nebenwirkungen. Bei Menschen mit starken Abwehrschwächen
können die Bakterien ins Blut übertreten und eine schwere
Sepsis auslösen. Das sei in Finnland, wo Probiotika weit
verbreitet sind, bereits vorgekommen.



WANC 29.02.08 Quelle: J. Huebner: Probiotika –
evidenzbasierte Medizin oder alternativmedizinischer Hokuspokus? DMW
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2008; 133 (8): S. 367-369

 
 
 
 
 
 
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