Der Meeresbewohner Theonella swinhoei, ein Steinschwamm, beherbergt eine Vielzahl von Mikroorganismen, die sehr wahrscheinlich für die in den Schwämmen vorhandene große Anzahl an bioaktiven Wirkstoffen zuständig sind
> Anti-Tumor-Wirkstoffe aus Meeresschwämmen
Meeresschwämme setzen - ähnlich wie Pflanzen - chemische Abwehrstoffe zur Verteidigung gegen ihre Feinde ein. Solche Substanzen besitzen nicht selten nützliche und therapeutische Eigenschaften und gelten daher als wichtige Kandidaten für zukünftige Arzneimittel. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts haben herausgefunden, dass nicht der Schwamm selbst, sondern mit ihm in Eintracht lebende Bakterien jene marinen Wirkstoffe (Onnamide) produzieren, die eine Anti-Tumor-Aktivität entfalten.

Wirbellose Meerestiere wie Korallen, Manteltierchen oder Schwämme enthalten oftmals Substanzen, die als viel versprechende Stoffe gegen Krebs und Infektionskrankheiten gelten. Vieles deutet darauf hin, dass nicht die Tiere selbst, sondern mit ihnen gemeinsam lebende Bakterien die wahren Produzenten dieser Wirkstoffe sind. Dafür spricht zum Beispiel, dass diese Naturstoffe bakteriellen Stoffwechselprodukten sehr ähneln oder dass fast identische Naturstoffe in Tieren vorkommen, die ganz und gar nicht miteinander verwandt sind.

Eine Forschergruppe um Jörn Piel vom Jenaer Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie und Professor für Organische Chemie an der Universität Bonn ist zusammen mit Kollegen aus dem Institut für Molekulare Biotechnologie solchen Bakterien nunmehr zum zweiten Mal auf die Spur gekommen. Bereits vor zwei Jahren hatte Piel Bakterien der Gattung Pseudomonas als "heimliche" Produzenten der Anti-Tumor Wirkstoffe aus der Pederin-Gruppe identifiziert, die in Käfern der Gattungen Paederus und Paederidus vorkommen.

In der nun vorgestellten Studie wird dieses Wissen um symbiotisch lebende Pseudomonaden in Steinschwämmen erweitert: In diesen Meerestieren produzieren Bakterien die chemischen Abwehrstoffe Onnamid A und Theopederine - chemische Verbindungen, die zu den bereits in den Käfern vorkommenden Pederinen verwandt sind. Onnamide gehören zur Stoffgruppe der Polyketide, eine in marinen Invertebraten (Schwämme, Mantelltiere) besonders häufige und sonst nur aus Mikroorganismen und Pflanzen bekannte Wirkstoffklasse.

Onnamide und Theopederine sind stark cytotoxisch und als zukünftige Anti-Tumor Wirkstoffe denkbar. Voraussetzung ist allerdings, dass ausreichende Mengen dieser Substanzen für chemische Modifikationen und medizinische Tests bereitgestellt werden können. Doch bislang lassen sich nur sehr wenige symbiotisch lebende Bakterien - egal ob aus Käfern oder Meerestieren - im Labor züchten.

Die Forscher um Piel jedoch haben mit ihren neuen Ergebnissen nun auch den direkten Weg in die medizinische Biotechnologie geebnet, indem sie aus den nicht kultivierbaren Bakterien diejenigen Gene, welche die Erbinformation für den Stoffwechselweg der Onnamide tragen, klonierten und so einen weiteren Beweis anführten, dass es sich bei den Produzenten um Pseudomonaden handelt. Da sich diese Naturstoffgene nun leicht in kultivierbare Bakterien übertragen lassen, können schon bald die für die Anti-Tumor Therapie wertvollen Wirkstoffe im Großmaßstab erzeugt und getestet werden.

WANC 24.11.04
 
 
 
 
 
 
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