Wunderbare Unterwasserwelt: Fundgrube medizinischer Wirkstoffe
> Krebsmittel aus Meeresschwamm?
Meereslebewesen sind eine wahre Fundgrube für neue medizinische Wirkstoffe. Dictyostatin, ein cytotoxisch wirkender Stoff, der in Milligrammmengen aus einem Meeresschwamm isoliert wurde, könnte das Zeug zum Krebstherapeutikum haben.

Dictyostatin ist ein starkes Cytostatikum: Es lässt sich teilende Zellen in einem bestimmten Stadium des Zellzyklus regelrecht steckenbleiben und löst auf diese Weise deren Apoptose, den programmierten Zelltod, aus. Da sich Krebszellen sehr rasch teilen, reagieren sie auf Cytostatika wesentlich empfindlicher als normales Gewebe. Dabei wirkt Dictyostatin auch auf Tumorzellen, die gegenüber Taxol (Paclitaxel) resistent sind.

Dictyostatin ist ein großer 22-gliedriger Ring, der allein elf Stereozentren (vierbindige Kohlenstoffatome, die räumlich wie Bild oder Spiegelbild aussehen sein können) enthält. Es gibt über 2000 theoretisch denkbare Kombinationen dieser Stereozentren. Anhand spektroskopischer Daten und Computersimulationen war es einem britischen Team um Ian Paterson von der Universität Cambridge kürzlich gelungen, den Vorschlag einer Struktur dieses Ringes zu erarbeiten. Danach ist Dictyostatin ein ringförmig geschlossener, sehr enger Verwandter des offenkettigen Discodermolids, das ebenfalls als Cytostatikum bekannt ist.

Wenn Forscher eine Struktur eines organischen Moleküls beweisen oder fehlende Details aufklären wollen, greifen sie zur Methode der Totalsynthese, das heißt, sie "kochen" die Verbindung von Grund auf im Labor nach und vergleichen dann die spektroskopischen Daten des Originals und des Nachbaus. "Anhand unserer Syntheseroute können nun größere Mengen an Dictyostatin hergestellt werden, um dessen pharmakologische Wirkungen genauer zu untersuchen," sagt Paterson.

Ein amerikanisches Team um Dennis P. Curran von der Universität Pittsburgh kam parallel zum vergleichbaren Ergebnis. "Dictyostatin hat im Vergleich zum offenkettigen Discodermolid drei Stereozentren weniger," sagt Curran. "Seine Analoga sollten daher auf lange Sicht die leichter herstellbare Variante sein."

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