Im Sport - besonders beim Fußball - recht häufig: Prellungen, Zerrungen oder anderen Verletzungen (Foto: Paulwip / pixelio.de)
Im Sport - besonders beim Fußball - recht häufig: Prellungen, Zerrungen oder anderen Verletzungen (Foto: Paulwip / pixelio.de)
> Sportverletzungen kühlen: Möglicherweise die falsche Option

Wir lernen es meist schon als Kinder: Bei Schrammen oder Beulen hilft Kühlen. Dass das der richtige Weg zu sein scheint, belegen auch Fernsehbilder immer wieder. Prellungen, Zerrungen oder anderen Verletzungen beim Sport, z.B. beim Fußball, werden sofort mit Kältespray behandelt. Allerdings: Wissenschaftliche Belege fehlen, dass die Kryotherapie (Kältebehandlung) wirklich hilft.

Der Physiotherapeut Nils E. Bringeland warnt sogar davor, geschädigtes Gewebe allzu ausgiebig zu kühlen. Auch wenn akute Sportverletzungen in der Regel nach der sogenannten PECH-Regel versorgt würden: Pause, Eis, Compression und Hochlagern. Mit diesen Sofortmaßnahmen sollen Schwellungen und Schmerzen gelindert und einer Entzündung vorgebeugt werden.

„Der Effekt der Kühlung wird dabei jedoch deutlich überschätzt“, meint Bringeland. Der Experte ist so kritisch, weil bisher nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Schwellung im Verletzungsgebiet mithilfe von Kälte tatsächlich signifikant reduziert werden könne. Bei übermäßiger Kälteanwendung sei es sogar möglich, dass Lymphgefäße geschädigt werden und Wundheilungsstörungen auftreten könnten. In der Folge sei der Lymphabfluss gestört, und es könne zu einer dauerhaften Schwellung kommen.

Bringeland erklärt das so: „Jede Verletzung setzt eine Entzündungskaskade in Gang, an der viele Immunzellen und ihre Botenstoffe, sogenannte Zytokine, beteiligt sind. Tatsächlich werden unter Kälteeinwirkung weniger Zytokine ausgeschüttet, und auch die Aktivierung einer Reihe von Immunzellen fällt geringer aus. Doch auch wenn Entzündungszeichen wie Rötung, Wärme und Schwellung vorübergehend unterdrückt werden, fördert das nicht zwangsläufig auch die Wundheilung.“

Im Gegenteil: „Die Immunzellen leisten wichtige Aufräumarbeiten, die zu einer physiologischen Wundheilung gehören. Sie wehren nicht nur Bakterien ab, sondern beseitigen auch geschädigtes Gewebe. Diese in der Evolution bewährten Mechanismen zu unterdrücken, sei daher nicht sinnvoll.“

Bringeland bewertet die routinemäßige Anwendung der Kryotherapie auch deshalb kritisch, weil die Kälte genutzt werde, um die Beweglichkeit des verletzten Bereichs wiederherzustellen und den Patienten schneller zu mobilisieren. Dahinter stehe unter Umständen die Annahme, dass die verbesserte Beweglichkeit auf einen Rückgang der Schwellung zurückzuführen ist. Tatsächlich werde aber nur das Schmerzempfinden gedämpft. Das Gewebe selbst verliere durch die Kälteeinwirkung sogar an Elastizität und werde weniger beweglich. „In der Folge nimmt die mechanische Belastung im Wundgebiet zu“, sagt er und warnt vor Spätfolgen wie wulstigen (hypertrophen) oder verhärteten (sklerotischen) Narben.

Für Bringeland ist dies Grund genug, auf die Kühlung von Verletzungen weitgehend zu verzichten – zumal es Alternativen gebe. Statt zum Eisbeutel zu greifen, könnten auch physiotherapeutische Techniken wie Lymphdrainage (Behandlung zur Entstauung von Lymphkonoten) oder myofasziales Release Schwellung und Schmerzen lindern. Myofasziales Release setzt auf das Aufspüren von Verhärtungen im Bindegewebe, die der Therapeut mit gezielten Griffen löst.

Der Therapeut setzt auch darauf, Patienten die Entstehung und die Funktion von Schmerzen zu erklären. Der Einsatz von Schmerzmitteln sei nicht völlig tabu, sollte aber auf ein Minimum begrenzt bleiben. Und nicht zuletzt sei auch eine Wärmebehandlung, sogar schon sehr früh nach der Verletzung, eine denkbare Alternative: Von Infrarot-A-Strahlung etwa sei bekannt, dass sie die Wundheilung fördert.

Betroffene könnten aber auch selbst aktiv werden: Einfach mit einer Mullbinde und einer Kompresse das verletzte Gebiet mit etwas Druck umwickeln. Dann, bei leichteren Verletzungen, auch immer wieder bewegen, wenn auch vorsichtig. Sollte die Haut intakt sein, könne man die Mullbinde auch befeuchten; das kühle zumindest etwas und tue oft gut, es werde aber nicht so kalt, dass eine Schädigung auftreten könnte.

20.2.2018 cs/ Quelle: physiopraxis

 
 
 
 
 
 
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