Infektionen: Die Furcht vor exotische Viren

Der Klimawandel hat viele Gesichter. Eine hässliche Fratze ist, dass in den nächsten Jahren hierzulande bisher unbekannte Krankheitserreger auftreten könnten. Denn das wärme werdende Wetter lässt exotische Viren aus den Tropen immer häufiger auch in Europa und sogar in Deutschland überleben. Die große Gefahr: Viele der ausgelösten Infektionen lassen sich noch nicht behandeln.

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) warnt davor, dass Erreger etwa von Chikungunya-, Pappataci- oder Westnil-Fieber in den kommenden Jahren in unseren Breitengraden Fuß fassen. Wenn auch in Deutschland noch niemand beispielsweise am Krim-Kongo-Fieber erkrankt sei, hätten Wissenschaftler in Holland dessen Überträger, die Schildzecken Hyalomma und Rhipicephalus, die braune Hundezecke, bereits gesichtet. Die Erkrankung könnte deshalb jederzeit von Südosteuropa eingeschleppt werden. Sie geht mit Fieber und oft mit inneren Blutungen einher. Die Sterberate liegt in Bulgarien bei 18 Prozent – eine Impfung gibt es nicht. „Insgesamt ist die Zahl der neuen Viruserkrankungen in Deutschland zwar noch sehr gering“, schränkt Prof. Dr. med. Ulrich R. Fölsch aus Kiel. Klimaerwärmung, wachsender Reiseverkehr, Tourismus und internationaler Warentransport könnten dies jedoch rasch ändern.

Überträger von Viren sind oft Zecken oder Mücken. Wie stark sie sich verbreiten, hängt vom Wetter ab. Prof. Dr. med. Emil C. Reisinger, Dekan der Universitätsmedizin Rostock, macht das an der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) deutlich: Sie tritt immer dann gehäuft auf, wenn zwei milde Winter aufeinander folgen. Denn dann vermehren sich Hasen und Rehe, die den Zecken ebenso wie der Mensch als Wirt dienen, und mit ihnen die Zecken selbst. FSME kann Gehirn und Hirnhäute infizieren und tödlich verlaufen.

Auch Infektionen wie das Chikungunya-Fieber, das zuletzt im Großraum des Indischen Ozeans ausgebrochen war, nähern sich Europa. Im Jahr 2007 kam es in der italienischen Emilia Romagna zum ersten Mal in der Geschichte Europas zu einem Ausbruch mit 205 Erkrankungen. Der fiebrige Infekt wird oft begleitet von Hautausschlägen und Muskelschmerzen. Der Überträger, die asiatische Tigermücke, ist in den Mittelmeerländern heimisch geworden, warnt Reisinger. Das Insekt gelange häufig im Auto oder Zug in entfernte Regionen. In Deutschland fanden sich Eier der Tigermücke erstmals entlang der Autobahn A5 bei Rastatt in Baden-Württemberg. Tigermücken übertragen auch Dengue-Fieber. Diese weltweit häufigste durch Stechmücken übertragene Viruserkrankung ist in Europa zuletzt 1927/1928 in Griechenland ausgebrochen. Auch Sindbis-Viren, Überträger des gleichnamigen Fiebers, mit Hautausschlägen und Gelenkbeschwerden, wurden in Baden-Württemberg in Mücken nachgewiesen.

„Die Neue Grippe hat uns in den Jahren 2009/2010 vor Augen geführt, wie rasch sich neue Viren ausbreiten können“, sagt Fölsch. Bei unspezifischen Beschwerden wie Fieber, Kopfschmerz, Husten, Schnupfen und Schlappheit sollten sich Patienten vorsichtshalber an einen Arzt wenden. Und der müsse  im Verdachtsfall die notwendigen Tests durchführen.

wanc 06.06.12/ Quelle: Dtsch. Med. Wochenschr. 2012; 137(17): 900–5





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/infektionen_06_06_12.php
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