> Klimawandel bringt neue Infektionsgefahren

Ob es einen Klimawandel wirklich gibt, wird von manchen - insbesondere von dem US-amerikanischen Präsidenten - gerne bestritten. Doch wenn es eines weiteren Beweises bedarf, dann ist es dieser: Chikungunya, Leishmaniose, West-Nil- und Krim-Kongo-Fieber sind Krankheiten, von denen Menschen hierzulande bisher nur bei Reisen in ferne Länder bedroht waren. Tropenmediziner rechnen damit, dass sie infolge des Klimawandels in Zukunft auch in Deutschland vermehrt auftreten werden.

Am 22. November 2018 hat der Forschungsverbund der 14 Institute der Leibniz-Gemeinschaft eine Vollversammlung abgehalten. Dabei ging es auch darum, wie Infektionskrankheiten durch den Klimawandel beeinflußt werden. Dabei ließ er keinen Zweifel, dass die Veränderungen des Weltklimas die Verbreitung von Infektionen befördern.

Dr. med. habil. Christoph Hemmer, Tropenmediziner an der Abteilung für Tropenmedizin und Infektionskrankheiten der Universität Rostock, hat nun erforscht, dass der Anstieg der Temperaturen in Deutschland die Überlebenschancen zahlreicher heimischer und bisher exotischer Mücken erhöht – zum Beispiel der Gattungen Aedes, Anopheles, Culex und Phlebotomus. Auch die Ausbreitungsgebiete von bisher hier nicht heimischen Zecken werde sich vergrößern, warnte  er.

Im Gepäck haben die Insekten und Spinnentiere häufig Viren, Bakterien oder Parasiten. Steigende Temperaturen verkürzen die Zeitspanne zwischen der Aufnahme eines Krankheitserregers und der Möglichkeit, ihn an andere Wirte weiter zu geben (sog. extrinsische Inkubationszeit). Bei Außentemperaturen von 20 Grad benötigen Chikungunya-Viren sieben Tage bis sie im Speichel von Mücken der Gattung von Aedes nachweisbar sind. Bei 28 Grad ist dies bereits nach drei Tagen der Fall, sagt Hemmer.

Das Chikungunya-Fieber ist nach Ansicht von Prof. Dr. Emil C. Reisinger eine weitere exotische Erkrankung, die sich in Deutschland ausbreiten könnte. Der Leiter der Abteilung für Tropenmedizin an der Uni Rostock prüft bereits mögliche Impfstoffe. Plötzlich einsetzendes Fieber und Gelenkbeschwerden sind erste Symptome einer Infektion. Kopfschmerzen, Übelkeit und Hautausschlag können hinzukommen. Auch wenn schwere Verlaufsformen selten sind, können ältere Menschen an einem Chikungunya-Fieber sterben. Die Gelenkbeschwerden können viele Monate anhalten.

In Zukunft könnte auch Krim-Kongo-Fieber in Deutschland auftreten: Die mit hohem Fieber einhergehende Erkrankung, kann zu tödlichen inneren Blutungen führen und ist bereits in der Türkei verbreitet. In Europa hat es bisher nur einen Fall in Spanien gegeben. Die tropische Zecke der Gattung Hyalomma, die als Überträger der Krankheit gilt, kann mit Zugvögeln nach Deutschland kommen. Steigende Temperaturen führen dazu, dass sie auch hier länger überlebt und nach neuen Wirten sucht, meint Reisinger.

Eine gravierende Ausbreitung von Dengue- und Zika-Fieber, wie zuletzt in Lateinamerika, befürchtet Hemmer in Deutschland derzeit hingegen nicht. Auch Malaria werde sich in Deutschland nicht wieder festsetzen, obwohl es hierzulande sechs Arten der Anopheles-Mücke gibt, die die Parasiten übertragen können. Noch bis in die frühen 1950er-Jahre kamen im Südwesten und Norden Deutschlands Malariafälle vor. Die Trockenlegung von Sümpfen und kleineren Gewässern und die räumliche Trennung von Vieh und Mensch verhindere heute eine Ausbreitung der Erkrankung, so der Experte.

Das Risiko, dass sich das Westnil-Fieber auch in Deutschland ausbreitet, steigt nach Einschätzung von Hemmer jedoch. Auch hier verweist der Experte auf eine verkürzte extrinsische Inkubationszeit. Bei einem Anstieg der Außentemperatur von 14 auf 18 Grad benötigen die Viren nur 22 statt 36 Tage, bis die Mücke die Erreger übertragen kann. Bei 30 Grad sind dies nur noch fünf Tage. Das West-Nil-Virus hat sich bereits in Südost-Europa ausgebreitet. Infizierte Zugvögel könnten es jederzeit nach Deutschland bringen. Eine Infektion beim Menschen geht mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit und Erbrechen einher. Manchmal tritt auch ein Hautausschlag am Rumpf sowie eine Schwellung der Lymphknoten auf. Bei einem von 150 Patienten kommt es zu einem schweren Krankheitsverlauf. Gefährdet sind vor allem Menschen über 50 Jahre, ferner Patienten, die Kortisonpräparate oder andere Medikamente einnehmen, die die Immunabwehr schwächen. In diesen Fällen kann die Infektion eine Hirnhautentzündung auslösen.

Auch Patienten, die sich Leishmanien infizieren, könnten in Zukunft in Klinik und Praxis eine Rolle spielen. Die Parasiten, die Haut und innere Organe befallen können, werden durch Phlebotominae (Sandmücken) übertragen. Die ersten Exemplare dieser Insekten wurden bereits 1999 im Südwesten Deutschlands nachgewiesen, wahrscheinlich gibt es sie jedoch dort schon länger. Zwischen 1991 und 2007 gab es mindestens elf Fälle eines in Deutschland erworbenen Leishmaniose bei Mensch und Tier. Wenn die inneren Organe befallen sind, verläuft die Leishmaniose ohne Therapie fast immer tödlich.

Der Klimawandel begünstigt nach Einschätzung der Experten aber auch die Ausbreitung von heimischen Zecken. In Deutschland sind sie bereits heute Überträger der Lyme-Borreliose und der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Die FSME, die lange nur in Süddeutschland verbreitet war, hat inzwischen auch den Norden erreicht.

5.12.2018 cs / Quelle: DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift

 
 
 
 
 
 
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